Thailand ist nicht erwachsen genug für Demokratie – Ein Kommentar

Das war auch der Fall als die Gelbhemden „Government House“ (den Sitz des Premierministers) in Beschlag nahmen. Eine solch illegitime Besetzung öffentlicher Gebäude wäre in Ländern mit einer (angeblich?) weitaus fortgeschritteneren demokratischen Kultur als in Thailand schon längst von seitens der Staatsmacht wenn nötig mit Gewalträumung entgegnet worden. Das dies in Thailand bislang nicht geschah zeugt eigentlich nur von dem universellen Dilemma in dem der thailändische Staat sich befindet. Daß sowohl die Armee (die sich sowieso aus Politik gänzlich heraushalten sollte) als auch die Polizei der Regierung offensichtlich die Unterstützung versagen ist ein ernstzunehmendes Zeichen dafür, daß „nicht alles stimmt im Staate Dänemark“, wie man so schön sagt.

Der Umstand, daß diese Entwicklung auf den Einfluß eines einzigen Mannes zurückzuführen sein soll, der zudem noch ein überführter Halbkrimineller ist, grenzt an Wahnsinn. Der Mann soll jetzt endlich einmal seine Klappe halten und sich an den Millionen ergötzen, die er während seiner Tenur als Premierminister ins Ausland verschoben hat. Wer aus Dubai (wo er sich augenblicklich aufhält) verlautbaren läßt, die Demonstranten sollten „endlich das Gesetz respektieren und sich zurückziehen“ bekennt damit eigentlich nur was für ein egomanischer Heuchler er ist. Das Gesetz (und das Urteil) waren für ihn „unfair, voreingenommen und politisch motiviert“.

Die Tatsache, daß die angebliche Marionettenregierung unter Somchai Wongsawat, dem Schwager des Halbgottes, sich nach Chiang Mai flüchtete, zeigt eigentlich lediglich, daß ihr die Macht entglitten ist.

Es klingt vielleicht hart, aber Thailand ist schlichtweg noch nicht erwachsen genug für Demokratie. Nicht solange das ganze Land unter der Fuchtel von einer Handvoll von superreichen Familien mit feudalistischen Anmaßungen gegängelt wird. Nicht solange ein paar Baht an die Superarmen ausgeschüttet werden durch populistische Maßnahmen, die dann auch noch aus Steuergeldern finanziert werden, und nicht aus dem Privatkonto des „großen Gönners“. Nicht solange man angeblich nur das Wohl des ganzen Landes am Herzen hat und sich dennoch schamlos bereichert. Nicht solange Wähler eine Partei nicht wegen ihres Programms sondern wegen der Anzahl der ausgeschütteten Geschenke wählen. Nicht solange die Armee jederzeit nach Belieben einen Putsch durchführen könnte. Nicht solange ein gelbgewandeter Mob sich ungestraft in öffentlichen Gebäuden einnisten kann unter der ziemlich fadenscheinigen Beteuerung der Protest wäre „absolut friedfertig“.

Man fragt sich manchmal bezüglich der „Gelbhemden“ weshalb es sich jene eigentlich leisten können monatelang irgendwo zu campieren. Haben die keine geregelte Arbeit? Können die so einfach ihrem Arbeitsplatz über Monate hinaus fernbleiben ohne Konsequenzen befürchten zu müssen? Wie man hört, werden viele von ihnen nach thailändischen Verhältnissen geradezu fürstlich bezahlt für ihre Teilnahme. Von bis zu 1000 Baht pro Tag ist die Rede. Na, da braucht man eigentlich auch keine geregelte Arbeit, oder? Vor allem braucht man nicht zu verstehen wofür (oder wogegen) man protestiert.

In dieser Hinsicht stehen die „Rothemden“ nicht nach, die Befürworter der Regierung. Ich fragte heute eine Dame, angetraut mit einem englischen „farang“, weshalb sie zu einer der Rothemdenveranstaltungen gehen wolle. Sie antwortete mit einem lakonischen: „I like Thaksin“. Ich hakte nach was Thaksin jemals für sie getan hätte. Sie hatte keine Antwort.

Um zum Fazit zu kommen: Die Aktivitäten der PAD (der Gelbhemden) sind illegal. Die Aktivitäten der UDD (der Rothemden, der Thaksin-Befürworter) sind allenfalls lächerlich. Die Regierung, trotz des Wahlsieges, der, wie wir ja alle wissen, auch wieder nur durch Versprechungen und Geschenke und Visionen vom abermaligen Einzug des Halbgottes errungen wurde, ist ebenso illegitim. Wie ich zu Anfang schrieb: Man kann es drehen und wenden wie man will… Dieses Land ist nach wie vor mindestens 50 Jahre entfernt von Demokratie. Durch Eigensinn, durch Kultur (man macht keinen Bückling vor einem Großkopferten nur weil er einer ist), durch nahezu unnachahmbare Selbstüberschätzung der eigenen Rolle in der Welt (wir Thais sind die besten, deshalb lieben wir uns gegenseitig auch so sehr), durch Gehirnwäsche des Nachwuchses, und durch Duldung eines feudalistischen Klassensystems, das für uns Europäer museumsmäßig anmuten darf, für Thais aber vollkommen normal ist.

Die Verfassung eines Landes wird einmal geschrieben, und eventuelle Änderungen bedürfen nicht einer Mehrheit des Parlaments sondern müssen durch ein Volksreferendum ratifiziert werden. Thailand hatte in seinen mageren 74 Jahren sogenannter Demokratie 17 Verfassungen. Da braucht man sich über die Besetzung und Stillegung zweier Flughäfen eigentlich nicht zu wundern, bei solchen Kindereien.Thomas Schmid