Jetzt schlägt’s 13: Die Lügen von „The Nation“

Es war ein strahlend-kalter Apriltag, und die Uhren schlugen dreizehn. – Erster Satz in „1984“ von George Orwell

Thailand nähert sich immer weiter an George Orwells berühmten Roman „1984“ an, in dem mit einem Überwachungsstaat abgerechnet wird, der seine Bevölkerung durch Lügen und Halbwahrheiten manipuliert und „Unwissende“ in Lager steckt.

Nachdem die ausländische Presse spätestens mit dem Artikel in „The Economist“ Anfang Dezember ihr Schweigegelübde gebrochen hat und offen die Zusammenhänge zwischen thailändischer Politik und Königshaus analysiert, sieht man sich nun seitens der aufrechten, wahrheitsliebenden Journalisten gezwungen, einzuschreiten.

„The Nation“ hat einen Schuldigen für die infamen Unterstellungen gefunden, die in der ausländischen Presse kolportiert werden. Es handelt sich um niemand Geringeren als den vertriebenen Ex-Premierminister Thaksin, der ausländische Korrespondenten bezahlt, damit sie gegen die Monarchie wettern.

„The Nation“ schreibt (Ausschnitte):

„Wir müssen noch viel über Thaksin Shinawat und seine Macht lernen, Lobbyarbeit bei lokalen und internationalen Medien zu betreiben. Es ist doch ziemlich erstaunlich, daß ‚The Economist‘, die ‚International Herald Tribune‘ und andere internationale Medien sich einverstanden erklärten, als Papageien mißbraucht zu werden.“

Die Schuld für die Thai-Krise werde jetzt der Monarchie in die Schuhe geschoben. Sie betrieben bezüglich einer sehr komplizierten Situation Schwarzweißmalerei und behaupten, die Monarchie würde sich in die Politik einmischen, um ihre eigenen Interessen und Privilegien zu schützen, während sie sich hinter den Gesetzen zur Majestätsbeleidigung versteckt.

Die internationalen Medien würden absichtlich die Tatsache ignorieren, daß die Wurzel der politischen Krise in Korruption, Vetternwirtschaft und Nepotismus zu suchen sei. Statt dessen konzentrierten sie sich darauf, daß Thaksin mehr Wählerstimmen als andere bekommen habe und insofern demokratisch gewählt worden sei.

Wer den Artikel im „The Economist“ gelesen habe, werde sich sicherlich fragen, ob das britische Magazin weiß, wovon es schreibt.

Der Kommentator fragt: Von welchem Tabu bezüglich Majestätsbeleidigung spricht „The Economist“? Ihre Auslegung sei eher eine Sache der Wahrnehmung als gegebene Realität. Der König verbiete Menschen nicht, ihn oder die Monarchie zu kritisieren, wenn sie es auf ehrliche Weise tun. Weiter wird in dem Artikel behauptet, daß seit 1932 keine einzige Person wegen Majestätsbeleidigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sei…

Der TIP erspart sich eine weitere Übersetzung von Einzelheiten, in denen versucht wird, Gründe zu finden, weshalb der König die Machtergreifung von Putschisten absegnete bzw. angeblich keinen Einfluß darauf hatte etc.

Thailand hat eine lange Tradition, historische Ereignisse in Geschichtsbüchern zu fälschen, damit nachfolgende Generationen nur noch mit geschönten Wahrheiten konfrontiert werden. Davon berichtete schon George Orwell in seinem Roman, dessen Hauptfigur in „1984“ in einem Ministerium arbeitet, das genau dafür zuständig ist: Geschichtsklitterung. Manchmal muß man zu dem Schluß kommen, daß thailändische Führungskräfte dieses Buch genau studiert und ihre Schlüsse daraus gezogen haben.

Und da es im Internetzeitalter immer schwieriger wird, Informationen von außen zu unterdrücken, müssen Verschwörungstheorien oder schlichtweg Lügen herhalten, um diese „Angriffe“ von außen abzuwehren.

„The Economist“ ist in Thailand verboten, aber der Text kursiert im Internet – inzwischen auch in thailändischer Sprache. Um den Artikel des „Economist“ zu entkräften, muß nun eine Verschwörungstheorie herhalten: Thaksin bezahlt alle ausländischen Journalisten, die negativ über Thailand berichten. So einfach ist das, denn Thaksin ist an allem schuld.

Daß das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung mittelalterlich anmutet und es kein einziges anderes Land auf der Welt mit ähnlicher Gesetzgebung gibt, kann nicht wegdiskutiert werden. Daher wird dem Leser des „Nation“-Artikels eine glatte Lüge aufgetischt: Man dürfe den König kritisieren.

Das ist theoretisch richtig, denn das hat er selbst in einer Rede gesagt. Dennoch werden Kritiker verhaftet. Der TIP erinnert nur an den Australier Harry Nicolaides, der wegen des Verkaufs von sieben Büchern seit vier Monaten in Haft sitzt, oder an die Oppositionelle Da Torpedo, die am 22. Juli verhaftet wurde wegen unziemlicher Vergleiche mit den Vorgängen in Nepal. Kautionsanträge beider Angeklagten wurden mehrmals abgelehnt, weil diese angeblich eine Gefährdung für die „innere Sicherheit“ darstellen. Mutmaßliche Mörder dagegen werden regelmäßig gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Sie gelten danach offensichtlich in den Augen der Entscheidungsträger als ungefährlich.

Juristisch gesehen spricht „The Nation“ allerdings nicht von Verhaftungen, sondern von Verurteilungen. Und da wird gelogen, daß sich die Balken biegen. „The Nation“ ist wohl der Fall des Schweizers Oliver Jufer entgangen, der Plakate des Königs beschädigt und zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Später wurde er begnadigt und in die Schweiz abgeschoben. la