Freiheit für Thailands Kino

Apichatpong Weerasethakul gewann wie berichtet mit seinem jüngsten Film „Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives“ ebenso verdient wie überraschend die Goldene Palme.

Zwar gilt der Regisseur schon länger als einer der originellsten Schöpfer im Weltkino, der Sieg seines Kino-Dschungeltraums war dennoch unerwartet: Auf Festivals siegen selten wirklich unkonventionelle Filme.

Ironischerweise feierte Thailands Kino so seinen größten internationalen Erfolg, als daheim die Unruhen eskalierten. Dort tobe ein Klassenkampf, sagte Apichatpong auf seiner Cannes-Pressekonferenz, es gehe jedoch nicht einfach um Arm gegen Reich – sondern vor allem um Macht: Eine korrupte Mafia von Politikern und Industriellen versuche, das Land unter Kontrolle zu halten.

Die Beeinflussung der Thai-Medien sei gravierend: Vielen sei klar geworden, daß man sie von klein auf manipuliert habe. Zensur wird durch direkte und indirekte Methoden – etwa gerichtliche Drohungen gegen kritische Journalisten – ausgeübt, im Internet wird blockiert. Und auch die Kunst ist nicht frei.

In Thailand kam es 2007 zum Eklat, als die staatliche Zensurbehörde die Entfernung von vier Szenen in dem Film "Syndromes and a Century" verlangte: Ein Gitarre spielender Mönch sei ebenso „unstatthaft“ wie Ärzte, die im Hospital Alkohol trinken oder gar einander küssen. Apichatpong zog den Film zurück und gründete mit Kollegen die Bewegung „Free Thai Cinema“, die eine Petition gegen Zensur und Verbote initiierte.

In einer symbolischen Geste ließ der Regisseur „Syndromes and a Century“ 2008 doch in einem Bangkoker Kino zeigen – die zensierten Stellen hatte er aber durch zerkratzten Schwarzfilm ersetzt, der TIP hatte darüber berichtet.

Künstlerisch ambitionierte Filme sind in Thailand ohnehin kaum sichtbar, im Westen haben sie ihre Nische im Festivalzirkus gefunden. Apichatpong, der in den USA studierte und in internationalen Filmkreisen „Joe“ heißt, ist dabei die Schlüsselfigur: Als er 2000 mit „Mysterious Object at Noon“ debütierte, erregten Thai-Regisseure wie Wisit Sasanatieng oder Pen-ek Ratanaruang mit Filmen wie „Tears of the Black Tiger“ Aufsehen.

Sie griffen die eskapistischen Entertainments auf, die das nationale Kino dominieren, im Westen aber so gut wie unbekannt sind: Das sorgte für einen Exotik-Bonus. Bei Apichatpong liegen die Dinge etwas anders – sein Bezug auf Thai-Kultur und -Kino ist subtiler. Die Presse