„Kinderhilfe“-Bund legte auch Behörden rein

Die 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg steht vor keiner einfachen Aufgabe. Sie muß klären, wie die dubiose Vereinsarbeit des Kinderhilfe-Bunds strafrechtlich zu bewerten ist. Der Vorwurf: Mehr als 500.000 Euro an Spendengeldern, die eigentlich für Waisenkinder in Thailand gedacht waren, sollen versickert sein.

Im Zentrum des Verfahrens steht Vereinsboß Peter L. (40), zwei Geschäftspartner sind ebenfalls angeklagt. Peter L. sitzt seit Oktober vorigen Jahres in Untersuchungshaft und wähnt sich als Opfer einer Verschwörung. Er habe viele Feinde, sagt er, weil er an einem Enthüllungsbuch über Kinderprostitution in Thailand arbeite. Deshalb wolle man ihn aus dem Verkehr ziehen.

Antworten darauf, warum nur ein kleiner Bruchteil des Spendengeldes in Thailand ankam, lieferte er bislang allerdings nicht. Rund 625.000 Euro an Spenden soll der Kinderhilfe-Bund bekommen haben, nur rund 35.000 Euro flossen nachweislich in das asiatische Land.

Inzwischen haben in dem Prozeß mehrere frühere Mitarbeiter die Vorgehensweise des Vereins geschildert. Die meisten Spender, insgesamt sollen es über 600 gewesen sein, wurden demnach per Telefon angeworben. Erfolgreiche Telefonwerber wurden mit einer Prämie belohnt.

„Wir haben Patenschaften für Kinder in einem Waisenhaus in Thailand angeboten“, sagte einer der Mitarbeiter aus. „Wir dachten, es gibt dieses Haus.“

Tatsächlich, so das Ergebnis der Ermittlungen, gab es das besagte Waisenhaus nicht. Unter der Adresse findet sich eine Schule. Für Patenschafts-Urkunden, die die Spender erhielten, wurden immer wieder dieselben Kinderfotos verwendet.

Unterdessen wird deutlich: Peter L. war nicht nur bei der Spendenwerbung kreativ, er führte offenbar auch die Behörden hinters Licht. Er beschäftigte unter anderem Ein-Euro-Jobber und Jugendliche, die Probleme hatten, einen Ausbildungsplatz zu finden – für beides fließen staatliche Fördergelder. Auch der Verein „Brücke“, der sich um straffällige junge Menschen kümmert, schickte in zwei Fällen Jugendliche dorthin, die vom Gericht zu sozialer Arbeit verurteilt wurden.

„Wir haben aber schnell gemerkt, daß da was nicht stimmt“, sagt Brücke-Geschäftsführer Erwin Schletterer. Die Zusammenarbeit wurde beendet, ehe sie richtig begonnen hatte.

Staatsanwältin Stefanie Mader hat sich intensiv mit dem Fall befaßt und die Ermittlungen vorangetrieben. So wurde Schritt für Schritt sichtbar, daß die Realität beim Kinderhilfe-Bund nur wenig mit dem zu tun hatte, was in Broschüren versprochen wurde. Von geringen Verwaltungskosten war da zum Beispiel Rede. Dabei sollen mehr als 250.000 Euro alleine für die Honorare von Telefonisten draufgegangen sein. Augsburger Allgemeine