Was tun mit dem Müll? Samuis Bürgermeister informierte sich in Europa

Von Hans Michael Hensel

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Der Kommunalpolitiker und stellvertretende Bürgermeister (deputy mayor) von Samui, Suraphong Viriyanon, informierte sich in Deutschland und in der Schweiz über die dort funktionierende Abfallwirtschaft. Begleitet wurde er von seiner deutschsprechenden Frau Sannit, seinem Sohn und seiner derzeit in der Schweiz studierenden Tochter.

 

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Suraphong Viriyanon, für seine Freunde Khun Phong, stellvertretender gewählter Bürgermeister von Samui, steht für einen Typ des thailändischen Politikers, wie es ihn gar nicht so selten auch gibt, obwohl man ihn vergleichsweise selten zur Kenntnis nimmt: Seit Jahren bemüht er sich, für seine Heimat etwas zu erreichen und lebt zugleich gemeinsam mit seiner Frau Sannit auch privat vor, wie das gelingen könnte.

Jetzt nutzte der 55jährige eine private Reise nach Europa, um sich in der Schweiz und Deutschland über Abfallwirtschaft, Müllvermeidung und Wiederverwertung zu informieren.

Das Problem brennt nicht nur ihm auf den Nägeln. Zwar gibt es in Samui unter anderem eine Müllverbrennungsanlage. Die funktioniert aber nicht. Ansätze zur Müllvermeidung und Kompostierung von organischem Müll gelingen nur in Einzelfällen, meist durch Privatinitiative, etwa durch bestimmte Hotels. Auch gutgemeinte Initiativen scheiterten in Samui immer wieder. So wollte vor einigen Jahren ein mittelständiger deutscher Unternehmer in Samui die Kompostierung von organischen Hotel- und Restaurantabfällen gemeinsam mit Abfällen aus der Landwirtschaft einführen, etwa der immer noch reichlich vorhandenen Kokosplantagen. Leider hat man auch davon nichts mehr gehört.

Nicht zuletzt deshalb entschloß sich Suraphong, sich einmal im Ausland selbst anzusehen, wie funktionierende Abfallentsorgungssysteme aussehen. Das geschah im fränkischen Landkreis Kitzingen, der als ein Vorreiter bei der Abfallentsorgung in Bayern gilt, insbesondere was die Kompostierung von Bioabfällen betrifft.

Zum anderen ließ er sich im 900-Einwohner Ort Segnitz am Main die Entsorgung auf örtlicher Ebene erklären und schließlich besuchte man die Gemeinde Lauterbrunnen im Berner Oberland, deren Abfallsituation durchaus etwas mit Samui gemeinsam hat: Der Einzugsbereich ist ähnlich groß und freie Flächen sind rar; die Entsorgung und Abwasserreinigung muß unter sparsamster Verwendung von Raum geschehen.

Erste Station war das Kompostwerk Klosterforst in Kitzingen. Begleitet wurde Surapong von seiner Frau Sannit, einer in Deutschland ausgebildeten Apothekerin, die sich seit ihrer Rückkehr nach Thailand in Samui ehrenamtlich vor allem für sauberes Trinkwasser und die Erzeugung von biologisch erzeugten Lebensmitteln engagiert, sowie seiner Tochter und seinem Sohn.

Der Besuch machte Schlagzeilen in mehreren Regionalzeitungen und erschien auch auf der Webseite des Landratsamtes Kitzingen: Sprecherin Corinna Petzold schrieb in der Pressemitteilung:

„Seit 35 Jahren hat sich die bis Mitte der 1970er Jahre fast unberührte Insel zum Reiseziel entwickelt. Doch der Tourismus hinterläßt Spuren: Die heute bei Berücksichtigung der Touristenzahlen eigentlich hoffnungslos übervölkerte Insel hat ein Müllproblem. Deshalb interessierte sich Surapong, der zweithöchste Beamte Samuis, in Kitzingen über die deutsche Müllbeseitigung. Besonders interessiert hat ihn die Trennung von Bioabfall, der in Samui in großen Mengen anfällt. Der Kontakt war über einen deutschen Journalisten zustandegekommen, der Anfang der 1980er Jahre in Samui lebte und mit Herrn Suraphong seit dieser Zeit befreund ist.
Nikolaus Schneider, Betriebsleiter des Kompostwerks, und Harald Heinritz von der Kommunalen Abfallwirtschaft des Landratsamts, hatten sich viel Zeit genommen, den Gästen die Besonderheiten des deutschen Müllsystems und der Anlage Klosterforst zu erklären. Auf Samui gebe es zwar eine Müllverbrennungsanlage, erklärte Suraphong Viriyanon, doch die sei derzeit außer Betrieb. Der Müll werde momentan auf einer großen Halde gesammelt. Wie er ausführte, bemühe man sich seit Jahren, eine Müllsortieranlage einzuführen und insbesondere Bioabfälle zu trennen und wiederzuverwerten.
Das sei aber bisher erfolglos geblieben. Zu groß sei der Markt privater Händler, die Plastik, Papier oder anderen Abfall, der noch zu gebrauchen sei, sammeln oder aufkaufen. Der Kommune bleibe nur der nicht wiederverwertbare Rest, dessen Beseitigung schwierig sei und hohe Kosten verursacht, die nicht umgelegt werden können. Auch deshalb würden sich in diesem Bereich nur wenige Menschen engagieren.“

Eine Müllablieferungspflicht, also auch für jene Dinge, die noch verwertbar sind, gibt es in Thailand nicht. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, daß die Bemühungen, in Thailand ein Abfalltrenn- und Gebührensystem einzuführen, oft direkt oder indirekt an der Korruption scheiterten: Am Müll ist in Thailand nichts zu verdienen, so oder so, also interessieren sich bestimmte „Einflußreiche“ schon deshalb nicht dafür. Ehrliche Politiker, die etwas für ihre Mitbürger und die Umwelt erreichen wollten, sind in Thailand nicht überall in der Mehrheit.

Corinna Petzold weiter: „Trotzdem wollen Suraphong und Sannit Viriyanon nicht aufgeben. Sie setzen ihre Hoffnung in das Umdenken ihrer Landsleute. Das wollen sie zum Beispiel durch gezielte Umweltbildung der Kinder in den Schulen erreichen.
Ein zweiter Ansatzpunkt sind die Hotels auf der Insel. Auch sie sollen zum Mitmachen bewegt werden. Bei über 500 Hotelanlagen sind inzwischen 60 soweit, daß sie den Müll selbst trennen und teilweise der Wiederverwertung zuführen. Momentan stellt sich aber die drängende Frage: Wohin mit dem Rest- und Biomüll? Die Müllverbrennungsanlage ist außer Betrieb, ein Kompostwerk gibt es nicht. „Die Entwicklung muß weiter gehen“, ist sich Suraphong Viriyanon des Problems bewußt. Deshalb sei ihm der – übrigens ausschließlich selbst finanzierte – Informationsbesuch so wichtig gewesen.
Er wolle sehen, wie so etwas konkret funktioniert, – wenn es funktioniert. Aus Kitzingen nahm er nicht nur neue Impulse und Ideen für seine schwierige Basisarbeit mit nach Thailand, sondern auch die von Harald Heinritz eingeräumte Erkenntnis, daß sich die deutsche Müllbeseitigung noch vor etwa 50 Jahren nicht wirklich von der im heutigen Thailand unterschieden hat. – Es gibt also Hoffnung, daß der nachhaltige Einsatz von Suraphong und Sannit Viriyanon, gepaart mit gezielter Umweltbildung, auch in Thailand auf fruchtbaren Boden fallen wird.“

Nikolaus Schneider gab den Gästen dabei auch ganz konkrete Tips mit auf den Weg: Zum Anfang reiche für eine Humusproduktion eine befestigte Fläche, von der die anfallenden Flüssigkeiten entsorgt werden können, mit einer Maschine zur Umschichtung der Grünabfälle. Mehr sei, abgesehen von Investitionen für die eigentliche Sammlung der Bio-Abfälle, eigentlich nicht nötig, um die Sache auf einer Insel wie Samui wenigstens einmal zu starten.

Anschließend führte der Abfallberater des Landkreises, Harald Heinritz, die Gäste aus Thailand durch den Recyclinghof Kitzingen. Ungewöhnlich war für die Gäste aus Thailand vor allem die bestehende Ablieferungspflicht für Müll. In Deutschland bleibt den Kommunen also anders als in Thailand nicht nur der wertlose Restmüll zur Entsorgung, vielmehr können durch gezielte Wiederverwertung bestimmter Materialen in Teilbereichen sogar Gewinne erzielt werden.

Tags darauf war Suraphong Viriyanon mit seiner Frau bei einem Kollegen, nämlich dem Bürgermeister von Segnitz, Rudolf Löhr, zu Gast. Der führte nach einem offiziellem Empfang im Rathaus höchstpersönlich durch den Containerplatz der Gemeinde, wo die Bürger zweimal wöchentlich Wertstoffe wie Glas und Metalle, aber auch Grünabfälle und anderes abgeben können. Ebenso interessant war für den Gast aus Samui der Kulturelle Teil des Tages, man besichtigte auch das Heimatmuseum und das denkmalgeschützte Ortszentrum. Ebenso auf  dem Programm stand ein Treffen mit dem Leiter des Hauptamtes der Stadt Kitzingen, Ralph Hartner.

Nach einigen Erholungstagen, in denen sich die Familie Viriyanon in Würzburg, Marktbreit, Mainz, im Rheingau, München und Hohenschwangau mit Neuschwanstein ein Bild über Tourismusmanagement in Deutschland machen konnte, reiste man weiter durch Österreich in die Schweiz, wo in Wengen im Berner Oberland ein längerer Aufenthalt eingelegt wurde. Der langjährige Lauterbrunner Gemeinderat und Präsident der Ver- und Entsorgungskommission, Gerhard Hertlein führte auf Empfehlung des Wengener Hoteliers Karl Fuchs durch die dortige Kläranlage und schaffte es sogar, die Computersteuerung der Anlage für Laien nachvollziehbar zu erklären.

Anschließend besuchte die Familie noch Leysin bei Montreux, wo eine Tochter der Familie eine Ausbildung im Hotelbereich macht. Letzte Station der Reise war in Zürich.

Kleine Vorstellung: สุรพงษ์ วิริยานนท์ Suraphong Viriyanon, der aus einer alteingesessenen chinesischstämmigen Familie aus Ko Taen bei Samui stammt, gehört auch bei Ausländern zu den bekanntesten Persönlichkeiten in Samui. Den Juristen der Ramkhamhaeng-Universität und Verwaltungsexperten der NIDA-Universität lernte bis vor etwa zehn Jahren nämlich fast jeder Reisende in Samui zwangsläufig kennen: Sein 1982 offiziell gegründetes Unternehmen Samui Holiday Tours, war lange das bekannteste Reisebüro der Insel (die Webseite ist allerdings veraltet).

Weshalb der gelernte Jurist nicht als solcher Karriere machte, sondern sich inzwischen unter anderem um den Wasserhaushalt in Samui kümmert, ist ebenfalls schnell erzählt: 1976 erlebte er bei den Studentenversammlungen in der Nähe der Tammasat-Universität das Massaker der Armee und rechtsnationalen Schlägern an den dort versammelten Studenten aus nächster Nähe. Zwei Freunde wurden getötet; er selbst schwamm in Todesangst durch den Chao Phraya nach Thonburi, um sein Leben zu retten.

Dieses Erlebnis hat ihn tief geprägt: „Ich war fassungslos, daß Thais fähig sind, auf ihre Landsleute zu schießen.“ Wenn er das erzählt, ist ihm die Erschütterung darüber noch anzumerken.

Diese Erfahrung war mitentscheident dafür, daß er nach dem Studienabschluß zu Hause auf der damals noch ruhigen Insel ein Geschäft anfing.

Gemeinsam mit seiner Frau สรรพ์นิธิ วิริยานนท์ Sannit Viriyanon, die viele Jahre die Apotheke „Samui Pharmacy“ in Nathon und Chaweng führte und das im Familienbesitz befindliche Land nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaften läßt, gründete er später unter anderem die erste Fabrik für die Erzeugung von Trinkwasser im Umkehrosmoseverfahren in Samui, bevor er vor einigen Jahren zum „Deputy Mayor“ gewählt und auch wiedergewählt wurde.