Bangkok: Obdachlose auf der Suche nach neuer Heimat

Der Bürgersteig vor den Häusern in der Nähe des 78 Jahre alten Theaters verwandelt sich nach Einbruch der Dunkelheit in einen „Schlafsaal“, die Obdachlosen breiten ihre Decken aus und legen sich hin.

Autolärm scheint für diese Leute noch nie ein Problem gewesen zu sein. Ein Obdachloser mit dem Namen Wichian berichtet, er habe bis Juli letzten Jahres auf dem Sanam Luang bis zur Schließung kampiert und sei nun „umgezogen“. Dort gefalle es ihm gut, weil es sicher sei.

Man müsse sich ganz genau überlegen, wo man einen Schlafplatz suche, berichtete Wichian, der seit fünf Jahren obdachlos ist. Ein öffentlicher Park sei gefährlich, weil sich dort zu viele Kriminelle herumtreiben. Im Romaninat Park habe Wichian schon einmal unangenehme Erfahrungen mit einer Bande von Ganoven gemacht, seitdem habe er Angst, in Parks zu übernachten.

Eine andere Gefahr ginge von Prostituierten aus, die auf der Straße ihre Dienste anbieten. Die Obdachlosen würden von Zuhältern gezwungen, den Service der Damen in Anspruch zu nehmen und dafür zu bezahlen. Wenn man ablehne, drohe Prügel.

Wichian sammelte viele Erfahrungen in Bangkok, was Übernachtungsmöglichkeiten betrifft, in dem Gebiet Chalermkrung gefalle es ihm am besten. In Obdachlosenheimen will er nicht übernachten, weil dies seine Freiheit einschränke.

Wichian, der aus Saraburi stammt, kam nach Bangkok, um als Schweißer zu arbeiten. Doch er verdiente zu wenig Geld, um ein Zimmer zu bezahlen, manchmal konnte er sich noch nicht einmal etwas zu essen kaufen. Dann ging er entweder in Tempel oder zum Sozialamt, um dort um Essen zu betteln.

Um sich etwas zu verdienen, habe Wichian bei den Rothemden angeheuert und als Wachmann gearbeitet – für 300 Baht pro Tag.

Nach Saraburi will Wichian jedoch nicht zurückkehren: Er wolle gerne vor Ort bleiben, um herauszufinden, wie die Regierung mit den „Morden im Wat Pathum Wanaram“ umgeht. Dort waren bei der Niederschlagung der Rothemden-Proteste am 19. Mai sechs Menschen erschossen worden. Bislang unter ungeklärten Umständen.

Kai, ein 42jähriger, ist Wichians Nachbar, weil er auch immer gern im Gebiet Chalermkrung übernachtet. Auch er gehe nicht in Obdachlosenasyle, berichtete er hustend, weil er Angst habe, Dritte mit seinen Krankheiten anzustecken.

Kai stammt aus Samut Songkhram, mit zehn Jahren riß er von zu Hause wegen familiärer Probleme aus. Seit Jahrzehnten lebt er in Chalermkrung und kommt mit 80 Baht pro Tag aus. Er ist ein Lumpensammler, verkauft Flaschen, Dosen und Papier.

Die Anwohner in Chalermkrung haben zwiespältige Ansichten über die Obdachlosen. Eine 60jährige Straßenhändlerin, die seit unzähligen Jahren Wasserflaschen verkauft, sagte, die Obdachlosen stellten keine Bedrohung für die Anwohner dar. Sie hoffe nur, daß das Gebiet nicht verkomme.

Ein anderer Anwohner schloß sich dieser Meinung an. Es gebe keinerlei Probleme, auch wenn viele Obdachlose Alkoholiker seien. Wenn diese ihn um Geld anbettelten, würde er ihnen aber keines geben.

Eine andere Anwohnerin sprach die Befürchtung aus, daß sich die Obdachlosen in dem Gebiet ständig niederlassen könnten. Es wäre besser, wenn „diese Leute“ gehen. Sie habe keine Bank gekauft, um sie vor ihrem Haus aufzustellen, weil sie befürchtet, daß diese als Bett dienen könnte. Sie habe ein schlechtes Gefühl, die Obdachlosen würden die Anwohner um ein besseres Leben berauben.

Eine 16jährige berichtete, sie traue sich wegen der Obdachlosen abends nicht mehr aus dem Haus.

In dem Bezirk Phra Nakhon gibt es laut Bezirksbürgermeister Suwaporn Jermrangsi um die 700 Stadtstreicher. Demnach sei dort die Dichte der Obdachlosen in Bangkok am höchsten.

Suwaporn sagte, daß etwa die Hälfte der Obdachlosen einen Job hätte. Und das würde darauf hinweisen, wie unbeliebt Obdachlosenasyle seien. Die befänden sich häufig von den Arbeitsstellen weit entfernt, die Leute hätten kein Geld für Busse oder wollten es zumindest nicht für Transportmittel ausgeben.

Die Stadtverwaltung überlegt zur Zeit, wie sie verhindern kann, daß die Obdachlosen zum Sanam Luang zurückkehren, wenn der Platz im Juni wiedereröffnet wird. Ein Vorschlag von Suwaporn lautet, Sonderbusse einzusetzen, um die Obdachlosen zu ihren Arbeitsstellen zu fahren und nachmittags zu den Obdachlosenasylen zurückzubringen.

Auf jeden Fall aber soll verhindert werden, daß der Sanam Luang wieder zum „Obdachlosentreff“ wird. bp, tr