Armeechef Anupong muß handeln – Ein Kommentar

Ein Indiz dafür, wie sehr die Hoffnungslosigkeit unter der thailändischen Durchschnittsbevölkerung zugenommen hat, ist, daß die immer wieder gestellte Frage inzwischen nicht mehr lautet, ob die von Armeechef Anupong Paochinda geführten Sicherheitskräfte noch vor Ende April etwas gegen den immer stärker ausufernden Zustand der Gesetzlosigkeit in Bangkok und anderswo unternehmen werden, sondern, ob General Anupong überhaupt noch etwas tun wird, bevor er im September – in fünf Monaten – aus dem Militärdienst ausscheiden wird.

So, wie die Bedrohung für Gesetz, Ordnung und Leben eindeutig und allgegenwärtig geworden ist – denn niemand kann ja mehr sicher sein, ob nicht ein paar M79 wie eine Laune des Sommerwetters auf ihn herabhageln, während er unterwegs ist – so sieht es auch mit dem Druck und der Verachtung aus, die auf General Anupong als dem für Sicherheitsmaßnahmen Verantwortlichen lasten. Gefangen in einer ausweglosen Zwickmühle, hat der Mann das in seiner Situation einzig mögliche getan, nämlich, gar nichts zu unternehmen.

Na ja, General Anupongs Taktik, nichts Schlimmes zu tun, hat ihm dafür jetzt Kritik und Hohn von denjenigen eingebracht, die sich ein rasches Ende der unberechenbaren Situation wünschen. Ich kann General Anupongs Motive für sein Nicht-Handeln leider nicht hinterfragen – vielleicht will er auch nur seinen eigenen Hintern retten – daher kann ich für mich persönlich nur sagen, daß ich für diese Tatenlosigkeit des Armeechefs kein Verständnis aufbringe. Trotzdem bin ich aber davon überzeugt, daß General Anupong mit einer Sache recht hat: auf seiner Position, die Demonstrationen nicht gewaltsam aufzulösen, zu beharren, egal, wie viel schlechte Presse und Spott ihm das einbringt.

Ich glaube, daß wir uns inzwischen die Realität eingestanden haben, daß die Proteste der Rothemden an der Ratchaprasong nicht nur ein einzelnes Ereignis darstellen, das leicht umschifft oder beendet werden kann. Was wir an der Ratchaprasong erleben, ist vielmehr die Manifestation eines großen, gut vernetzten und leidenschaftlichen Verbundes von Gleichgesinnten überall im ganzen Land.

Ein Schlag gegen die Ratchaprasong wäre wie ein Stochern im Ameisenhaufen. Keiner wäre mehr in der Lage, das folgende Chaos mit seinen Schäden und Verlusten zu kontrollieren. Es wäre wie eine nukleare Kettenreaktion: nicht mehr beherrschbar.

Genauso würde eine Auflösung des Parlamentes wenig an dem herrschenden Klima der Feindseligkeit ändern. Sollte Premierminister Abhisit den Forderungen der Rothemden nachgeben, würde dies sehr wahrscheinlich andere Gruppierungen in Rage versetzen, die dann auf die Straße gehen würden. Die Nicht-Roten verfügen ebenfalls im ganzen Land über Netzwerke ihrer Anhänger.

Wohin führt das alles noch? Wir sind jetzt wohl an einem entscheidenden Punkt angekommen, an dem wir uns meiner Meinung nach eingestehen müssen, daß wir ein Problem haben, bei dem wenig Hoffnung auf eine „Lösung“ besteht – zumindest nicht auf einen Schlag. Denn in diesen Konflikt sind inzwischen so viele Menschen verwickelt – darunter auch einige wenige immer noch nicht identifizierte, bewaffnete, militante Hardliner im Hintergrund – daß dieser sich zu einem Problem entwickelt hat, den wir allenfalls noch „managen“ können.

Vor diesem Hintergrund sollten daher alle damit aufhören, den Armeechef zu drängen, endlich „etwas zu unternehmen“ – wie z.B. die Menschenmenge an der Ratchaprasong zu zerstreuen. Wir sollten lieber den Armeechef dazu auffordern, seine Pflicht dergestalt zu tun, daß er gegen die militanten Bewaffneten vorgeht, die da draußen die Leute mit wahllosen Bomben- und Granatenanschlägen terrorisieren. Diese Aufgabe hat überhaupt nichts Politisches. Das hat nur mit Sicherheit zu tun und fällt in General Anupongs Verantwortung. Der Armeechef kann es daher unmöglich ablehnen, gegen diese Bedrohung vorzugehen.

Einige Leute führen an, daß man aus der ganzen Situation am schnellsten herauskäme, wenn Premierminister Abhisit sofort das Parlament auflösen würde. Ich denke, es wäre kein Fehler, wenn der Premierminister einseitig einen neuen Zeitplan mit Wahlen in drei oder sechs Monaten verkünden würde. Schließlich hat er ja gesagt, daß er auf jeden Fall wählen lassen werde. Es dreht sich also nur noch um das Timing.

Ich glaube auch nicht, daß Neuwahlen der kritischste Punkt wären. Meiner Ansicht nach sind die anhaltenden Terrorakte – das Zünden von Bomben oder das Verteilen von Bombenattrappen hier und da, wobei selbst Krankenhäuser nicht ausgenommen sind – die Bedrohung schlechthin, der sich jedermann in der Gesellschaft, egal, aus welchem Lager, mit oberster Priorität entgegenstellen muß.

Der Armeechef sollte damit aufhören, es mit den Anhängern der Rothemden an der Ratchaprasong zu Rangeleien kommen zu lassen. Aber es gibt keine Ausrede für ihn, nicht gegen die ominösen „Schwarzen Männer“ vorzugehen, die da draußen mit ihren Gewehren und Granaten nach Belieben irgendwelche Ziele aufs Korn nehmen. Das ist General Anupongs Auftrag. Und das kann nicht bis zu seiner Pensionierung warten. bp