Der Blockwart läßt grüßen

Ab sofort kann jeder Bürger und auch Ausländer (!) über ein spezielles Postfach (der Autor mag diese Aktion nicht unterstützen, daher keine Nummer) jederzeit und anonym seinen Nachbarn, Vater, Freund, Feind oder wen auch immer anzeigen.

Bei Adolf und Josef nannte man das denunzieren. Das öffnet doch ganz neue Wege. Ob Drogenhandel, Drogenbesitz oder Drogenumschlagplätze – auf alles soll nun der rechtstreue Thai oder aufmerksame Farang ein Auge haben, Beweise sichern und das dann, anonym versteht sich, schriftlich an besagtes Postfach senden.

Das könnte so manch schwelendem Nachbarschaftsstreit zu neuem Elan verhelfen. Da könnte doch (schlecht ist, wer so was denkt) glatt aus meinem unfreundlichen, raffgierigen Nachbarn, der mich zudem oft mit lauter Musik quält, per Post flugs ein Drogendealer werden. Schon träte behagliche Ruhe und Frieden ein.

Ja, die Thais haben scheinbar nicht nur das deutsche Recht in großen Teilen kopiert (ist wirklich wahr!), sondern auch das deutsche Unrecht. Da werden irgendwo tief drinnen Erinnerungen an alte, dunkle deutsche Zeiten wach.

Als stimmlosen Ausländer, der beinahe lebt wie ein Mönch, sollte mich das eigentlich nicht jucken. Tut es aber doch. Historisch belastet durch gleich zwei Naziopas kann ich solchen Entwicklungen nur skeptisch gegenüber stehen. Kann man doch aus den Ereignissen der 30er und 40er Jahre in Deutschland leicht herauslesen, wohin solche Aktionen führen können.

Weit verbreitetes Mißtrauen ist da der geringste Effekt. Mit freiheitlich-demokratischen Strukturen hat das sicher nichts zu tun. Es zeigt eher die Hilflosigkeit und Richtungslosigkeit, durch die sich Thailands Politik momentan auszeichnet. Eines ist sicher: Durch solche Ideen ist in einem Land, das von sich behauptet, demokratisch sein zu wollen, eher mehr verloren als gewonnen.

Es gibt genug Gesetze hier. Das Problem liegt in der Durchsetzung derselben. Thailands Exekutive hat einen sehr schlechten Ruf, und das nicht nur im Ausland. Die einheimische Bevölkerung hat keinerlei Vertrauen in sie , sondern fürchtet sie eher. Nach neuen Umfragen ist Korruption anerkanntes Staatsprinzip. Wer nicht mitmacht, wird für dumm oder gar gefährlich gehalten. Das ist leider schon ewig so. Der Staat resigniert, statt zu reformieren. Es wären Experten mit guter Ausbildung gefragt, und keine uralten Seilschaften.

Daß es auch anders geht, belegt Singapur. Man muß ja nicht gleich so kraß sein. Das allerdings sind lange und mit Sicherheit schmerzhafte Prozesse. Aber es ist möglich, etwas zu ändern, wenn man nur endlich mal damit beginnen würde. Dazu aber gehört außer Wille auch ernsthafte Bekämpfung der Korruption, rigorose Durchsetzung bestehender Gesetze und vor allem Einigkeit. Leider genau das, was in Thailand momentan nicht vorhanden ist. zensamui