Zur deutschen Entwicklungshilfe in Thailand existiert eine Diskussion im Forum, wo Sie einen Kommentar abgeben können: http://forum.thailandtip.info/index.php?topic=1867.0
Nachtrag: Ingo Kordon ist am 19. Februar 2010 gestorben. Einen Nachruf finden Sie hier: http://forum.thailandtip.info/index.php?topic=4798.0
hmh. Bangkok. Ingo Kordon lebt in der Nähe von Chiang Mai, wo er seit Jahren, von seiner Frau Arnuee, sowie von Freunden und Bekannten unterstützt, eine enorme private Entwicklungshilfe leistet. Der 69jährige steht als Beispiel für nicht wenige westliche Ausländer, die es, meist aus familiären Gründen, in die thailändische Provinz verschlägt und die, dort angekommen, nicht lange fragen, was es zu tun gibt, sondern anpacken.
Das aber ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen bewegt sich fast jeder Ausländer, der in Thailand etwas anfaßt, arbeitsrechtlich gesehen, auf einem schmalen Grad. Und während das vergleichsweise üppig bezahlte Personal der großen Institutionen und Firmen meist während des gesamten Aufenthalts in Thailand die Rosa Brille nie ablegt, seine Kinder in internationale Schulghettos schickt, und seine Thai-Bekannten typischerweise in tiefgekühlten Konferenzräumen, auf Golfplätzen und in Luxusrestaurants trifft und findet, erleben alle anderen Ausländer in Thailand, abgesehen von Touristen, früher oder später ihren Kulturschock. Keine Ausnahmen.
Und nach dem ersten kommt oft noch ein zweiter oder gar dritter Kulturschock hinzu, sofern man überhaupt je wirklich hinter die lächelnde Fassade dieses vielschichtigen Landes blickt. Ingo Kordon ging es so, wenn auch nicht nur so. Er hat über seine Erfahrungen insgesamt acht Bücher geschrieben, lehrreich, amüsant und kurzweilig. Lesenswert sind alle seine Bücher. Aber sein lehrreichstes heißt Entwicklungshelfer durch eigene Gnaden. Erstaunlicherweise ist es sein am wenigsten bekanntes und am wenigsten verbreitetes Buch.
Wer ist Ingo Kordon? Einem ins Internet gestellten Text eines Freundes (Ingo Kordon hat keinen Internet-Anschluß) und seinen Büchern ist folgendes zu entnehmen: Nach seiner Heirat mit einer Thai verkaufte der Bauingenieur sein Büro, sein Haus und alle Statussymbole, und ging als Mitarbeiter des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) nach Thailand.
Da er, mit Hilfe seiner engagierten Frau, bald auch hinter die Kulissen sehen konnte, und außerdem als Ingenieur sein Handwerk verstand, bemerkte er schnell, daß bei diesen Projekten viel, ja sehr viel Geld verschwendet wurde.
So war es in seinem Zuständigkeitsbereich offenbar seit Jahren die Regel gewesen, daß Baumaterial, Maschinen und andere Dinge über einheimische Mitarbeiter und Vertrauenspersonen absichtlich überteuert eingekauft wurde. Die Korruption blühte.
Und statt Wasserrückhaltebecken wurden mit deutschen Spendengeldern die Swimmingpools von thailändischen und deutschen Mitarbeitern und Vertrauensleuten des DED finanziert.
Als Kordon diese Vorgänge wahrheitsgemäß und mit sehr konkreten Angaben bei Vorgesetzten und Mitarbeitern meldete, war er damit jedoch zu seiner grenzenlosen Überraschung keineswegs willkommen. Im Gegenteil: Der engagierte Helfer war von einem Tag auf den anderen unbequem geworden, sehr unbequem sogar, und zwar für alle Beteiligten, insbesondere auch für seine deutschen Mitarbeiter und Vorgesetzten, die sich mit dieser Korruption offenbar arrangiert hatten und auch nichts dagegen unternehmen, ja die Meldung noch nicht einmal weitergeben wollten.
Um es kurz zu machen: Es kam zum Streit zwischen ihm und dem DED. Als Ingo Kordon die beweisbaren Korruptionsfälle nicht zurücknahm, wurde nicht nur gekündigt, sondern ihm wurden sogar — bis zum Ende eines langen, zermürbenden Gerichtsverfahrens —, vertraglich zugesicherte Leistungen vorenthalten.
In diesem Abschnitt, vor allem dort, wo der Autor seinen fast absurd anmutenden Kampf mit der Bürokratie und mit der Hinterhältigkeit gewisser menschlicher Maden im Speck unserer Steuergelder aus seiner Sicht schildert (vorne lächeln, hintenrum intrigieren, um den unbequemen Kollegen, der zuviele unbequeme Fragen stellt, möglichst loszuwerden…), liest sich das Buch wie ein Krimi.
Und es ist ein Krimi. Es zeigt am schlichten Beispiel eines „kleinen“ engagierten Entwicklungshelfers in Thailands Provinz einen Fall von, nach allem was ich in Thailand selbst in den vergangenen 30 Jahren hörte und sah, sicher nicht ungewöhnlicher alltäglicher Korruption. Und gerade weil es so alltäglich ist (jeder der länger in Thailand lebt, kennt ähnliche Beispiele), ist es eindrucksvoll, denn aufgeschrieben, noch dazu im Klartext, wird so etwas selten. Jeder, der Thailand besser als nur vom Urlaub kennt, kann Ingo Kordons Erlebnisse nachvollziehen.
Ich habe bei der Lektüre regelrecht „mitgelitten“, obwohl mir ähnliche Geschichten, in denen sich aufrechte Bürger im Spinnennetz von Behörden verhedderten, nicht nur in Thailand schon oft begegnet sind. Es dürfte vielerorts so sein, daß eine bürokratische Krähe der anderen selten ein Auge aushackt, schon gar nicht zum Vorteil von „Außenstehenden.
Das Buch ist gut geschrieben, stellenweise spannend wie ein Krimi und außerdem auch noch lehrreich. Jedem, der ähnliches vorhat, also insbesondere angehenden Entwicklungshelfern und Investoren, nicht nur in Südostasien, kann man diese Bildungslektüre gar nicht genug empfehlen.
Epilog (Quelle http://www.onlinezeitung24.de/article/406): Ingo Kordon blieb trotz seiner Erfahrungen in Thailand und baute hier eine private Einmann-Entwicklungshilfe auf, die er nachprüfbar beschreibt und dokumentiert. Heute hat er zuverlässige Freunde und Bekannte, die ihn regelmäßig mit Geld- und Sachspenden unterstützen. Damit leistet er vor allem Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe oder finanziert zum Beispiel den Schulkindern aus den Dörfern der Bergstämme im Umkreis seines Dorfes die Schulmilch.
Regelmäßig schreibt er Berichte darüber, was an Spenden eingegangen ist und wie sie eingesetzt wurden. Darin war, neben den Projekten, bei denen sein Wissen als Ingenieur gefragt ist, jüngst zu lesen, wie eine Familie finanziell unterstützt wurde, die bei einem Brand ihr gesamtes Hab und Gut verlor. Mit anderen Spenden konnten Vor- und Grundschülern aus bedürftigen Familien dringend benötigte Anoraks für die Wintermonate gekauft werden.
Ingo Kordon: Entwicklungshelfer durch eigene Gnaden. Eine Dokumentation. 2. Auflage 2000. Windeck: Verlag zur heilen Welt (Kaegelmann), 174 Seiten, dokumentarischer Anhang. ISBN 3-88896-070-3, 4,80 Euro, Bezug in Deutschland über die Bestelladresse 2[ät]zenos-verlag.de (Versand nach Thailand möglich, es fallen die reinen Portokosten zusätzlich an; Sammelbestellung empfohlen: 3 Exemplare wiegen 900 Gramm.)
Weitere Bücher von Ingo Kordon (nur noch einzelne Restexemplare vorhanden):
Bei den Bergstämmen
Siamesische Geschichtchen (Teil 1)
Siamesische und thailändische Geschichtchen (Teil 2)
Meine Reisen zum Sternbild der Fische (vergriffen)
Tierisch Menschliches und menschlich Tierisches Teil 1 und 2
Die Thaifrau Sikam (vergriffen)