Von Hans Michael Hensel
Hamburg/Bangkok. Im Rahmen der festlichen Jubiläumsveranstaltung sowie der zahlreichen wissenschaftlichen Vorträge im Laufe des Jahres vor allem in Berlin und Hamburg hatte sich nur eine Referentin, Iris Vitense, mit der Hamburger Vorgeschichte der offiziellen Thai-deutschen Beziehungen beschäftigt. Hamburg war nach Bangkoker zeitgenössischen Berichten schon ab Oktober 1858 offiziell konsularisch in Bangkok vertreten, obwohl der Vertrag erst am 25. jenes Monats abgeschlossen wurde. Dagegen schloß Preußen 1862 den ersten Vertrag mit Siam und setzte erst 1865 seinen ersten Konsul ein.
Was also hatte man eigentlich 2012 in Berlin, Hamburg oder Bangkok überhaupt zu feiern? Ein Datum, das ähnlich willkürlich erscheint wie das "typisch deutsche" rein bürokratische Gedenken am 3. Oktober (statt am 9. November oder am 17. Juni) zur deutschen Einheit?
Die Frage liegt jedenfalls auf der Hand, weshalb offiziell erst 1862 als Beginn der Thai-Deutschen diplomatischen Beziehungen angesehen werden soll und nicht 1858. Immerhin ist das heutige Deutschland genauso Rechtsnachfolger von Preußen wie von Hamburg (oder auch etwa von Bayern). Bis zum Beweis des Gegenteils darf man also vermuten, daß die leider sehr oft beklagenswert schlechte Geschichtskenntnis zuständiger Staatsbediensteter der wahre Grund dafür sein könnte, daß man den früheren Termin wieder mal verschlafen hatte, wie allerdings seit Jahrzehnten in großer Regelmäßigkeit. Leider zu Lasten von Hamburg.
Was seinerzeit in Bangkok geschah stellt sich so dar, soweit es die thai-deutsche Geschichte betrifft:
Als Hamburger Kaufleute und Diplomaten der ersten Stunde sind dabei vor allem Theodor Thies und Paul Pickenpack zu nennen. Sie betrieben zusammen eine Handelsvertretung in Bangkok. Man trieb aber nicht nur Handel, sondern war auch Agent zum Beispiel für die Hongkong und Shanghai Bank (die damals noch nicht selbst in Bangkok vertreten war), der Bank von Rotterdam sowie für Transport- und Schiffsversicherungen. Dadurch hatten sich Thies und Pickenpack offenbar so viel Vertrauen erworben, daß sie ebenfalls seit 1858 auch jeweils als Vizekonsul für Schweden und Norwegen tätig waren sowie ab 1860 auch für die Niederlande.
Dabei vertraten sie sich gegenseitig, so war Pickenpack laut dem offiziösen "Bangkok Calendar" Ende 1860 als abwesend gemeldet, während es später Thies war, der zwar offiziell noch Vizekonsul für Schweden und Norwegen war, aber vom "Acting Vic Consul" Pickenpack vertreten wurde.
Das in ihren Geschäftsräumen bestehende hanseatische Konsulat wird ebenso wie die schwedisch/norwegische und niederländische konsularische Vertretung bis mindestens 1868 (spätere Dokumente konnten noch nicht eingesehen werden) im Bangkok Calendar aufgeführt.
In den Räumen der konkurrierenden, 1858 gegründeten Firma Markwald & Co. von Anton Markwald und Paul Lessler, bestand ab April 1865 das Konsulat für Preußen und für die Staaten des Norddeutschen Zollvereins. Noch im Bangkok Calendar für 1865 ist keine Rede von einem preußischen Konsul, bis dahin wird im Zusammenhang mit einer preußischen konsularischen Vertretung statt dessen mindestens seit 1864 (Unterlagen für 1862-1863 konnten noch nicht eingesehen werden) der britische Konsul Sir Robert H Schomburgk mit den Worten "in charge" genannt. Schomburgk war bereits 1862 den deutschen Diplomaten der Eulenburg-Expedition in Bangkok beim Knüpfen von Kontakten behilflich gewesen.
Thailands Honorargeneralkonsul in der Hansestadt, Wolfgang Krohn, hat jedenfalls allen Grund, weiterhin stolz den Anteil seiner Heimatstadt an den Thai-Deutschen Beziehungen zu verkünden und zu würdigen. Und die zuständigen Leute im Auswärtigen Amt wären gut beraten, sich statt 2022 schon einmal das Jahr 2018 als nächstes "rundes" Jubiläumsjahr der Thai-Deutschen Beziehungen im Kalender vorzumerken. Aber vielleicht sollte man sie doch besser sicherheitshalber einfach einmal rechtzeitig daran erinnern…