Manuskript-Rarität aus Mueang Sing: Die Verdienste des U Mao (Phaya Sekòng)

hmh. Hamburg. Professor Volker Grabowsky, Leiter der Abteilung für Thaistudien der Abteilung für Südostasienforschung des renommierten Asien-Afrika-Instituts der Universität Hamburg, hat einen bemerkenswert umfangreichen „Anisong“ Text aus Mueang Sing im nordwestlichen Laos herausgegeben, der nicht nur einen seltenen Einblick in das Gemeinschaftsleben und in die Geschichte dieser immer noch abgelegenen Region gibt, sondern überhaupt unser Wissen über buddhistische Rituale, Kultur und soziale Bindungen wesentlich erweitert.

Der Text stammt von einem frommen buddhistischen Händler namens U Mao, der nach unterschiedlichen Quellen zwischen 1894 und 1902 im sogenannten Schan-Staat des heutigen Birma geboren wurde und 1982 in Mueang Sing im nordwestlichen Laos gestorben ist.

Anmerkung: Dies ist eine deutsche Kurzfassung der englischen Rezension des folgenden Buches:

Volker Grabowsky: Anisong Through Religious Donations. The Case of the Phaya Sekòng Manuscript from Müang Sing (Laos). Segnitz: Zenos Verlag 2019. Paperback, 187 Seiten, 29.3 x 21 cm, 490 g, ISBN 978-3-931018-42-9, 24.80 Euro.

Das Buch wurde als Band 2 der Hamburger Thaiistik Studien veröffentlicht, ISSN 2569-2879. Die ausführliche Originalrezension befindet sich hier: http://www.phakinee.com/phaya-sekong-mueang-sing/  — Bestellangaben am Ende der Rezension.

U Mao wanderte in jungen Jahren aus Kentung (Chiang Tung) im Schan Staat in Ostbirma nach Mueang Sing ein und wurde durch Fleiß und Weitsicht ein wohlhabender Mann. Er war aber auch ein frommer Buddhist. Mit großzügigen Geschenken für Tempel und Gemeinden erwarb sich der Einwanderer so viele Verdienste, daß ihn König Sisavang Vong (ເຈົ້າມະຫາຊີວິດສີສະຫວ່າງວົງ) den Ehrentitel ພະຢາເຊກອງ, “Phaya Sekòng” verlieh. Auch eine Straße und sogar sein eigenes großzügiges Wohnhaus, das heute ein kleines Museum beherbergt, überließ er der Allgemeinheit. Über U Maos umfangreiche Spenden und Geschenke an Tempel und Gemeinde gibt das von ihm selbst verfaßte „Anisong“ Manuskript detailliert Auskunft.

Worum geht es darin?

Anisong Texte sind in den nördlichen, nordöstlichen und zentralen Teilen Thailands und in Laos verbreitet. Die große Mehrheit befasst sich mit dem Nutzen des Almosengebens (dāna) und spiegelt die allgemein bekannte Bedeutung des Verdiensterwerbs durch Großzügigkeit und Nächstenliebe in der Kultur aller Thai-Völker wider.

Ānisaṃsa (Pali) oder in Lao / Thai Anisong (ອານິສົງ / อานิสงส์) bedeutet wörtlich „Nutzen“, „Vorteil“ oder „Segen“.

Anisong-Texte veranschaulichen aus Sicht eines gläubigen Buddhisten die Vorteile einer großzügigen Lebenseinstellung. Die im Allgemeinen kurzen Manuskripte (nur selten sind es, wie in diesem Fall, mehr als zwanzig Blätter) enthüllen die Belohnungen in Bezug auf „Verdienste“, oder wörtlich den „Vorteil“ (Anisong), den ein frommer Mensch von einer bestimmten religiösen Tat erwarten könne. Anisong-Texte, die auf Palmblättern oder auf den Bastschichten des Papiermaulbeerbaums geschrieben sind, werden für verschiedene Rituale und Zeremonien von Mönchen und Novizen verwendet. Da sie sich mit Angeboten für Klöster und die Gemeinschaft der Mönche (Sangha) befassen und als Ansporn dafür fungieren, erfüllen sie eine wichtige Funktion in der sozialen und wirtschaftlichen Beziehung zwischen Laien und Sangha. Heute noch erhaltene, datierte Anisong-Manuskripte gelten als wichtige Zeugnisse der Bräuche und rituellen Praktiken nicht nur des laotischen und thailändischen Buddhismus über mindestens drei Jahrhunderte hinweg.

Anisong des U Mao
Anisong des U Mao (Phaya Sekong)

Das Buch besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Im ersten Teil bietet Grabowsky eine analytische Einführung mit vielen interessanten Details zu dieser Art von Manuskripten sowie historischen, sprachlichen und technischen Informationen. Der zweite und umfangreichste Teil trägt, nicht überraschend, den Titel „Text and Translation“ und enthält ein von Grabowsky und der thailändischen Wissenschaftlerin อภิรดี เตชะศิริวรรณ Aphiradee Techasiriwan (die auch den Anisong-Originaltext in heutiges Thai übersetzt hat) zusammengestelltes Glossar in thailändischer und englischer Sprache. Ergänzt wird das Buch durch einen umfassenden Anhang mit einer Liste aller Spenden und aller gespendeten Manuskripte des Phaya Sekòng, sowie mit Karten, über 20 Faksimiles, Tabellen und einer Liste aller im Manuskript erwähnten Klöster und Stupas.

Durch diese Arbeit kam nicht nur ein Stück laotischer Geschichte ans Licht, sondern es wurde auch eine bemerkenswerte Biographie vor dem Vergessen gerettet. Ein Unternehmen, das nicht zu überschätzen ist, da es in Laos nicht wenige Menschen gibt, die geschichtlich gesehen. nicht einmal ihren eigenen Geburtstag genau kennen. Das Buch ist großzügig illustriert, der einzige Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die Farbbilder dennoch vollkommen unbearbeitet blieben. Dass dies besser gehen könnte, zeigt das schön gestaltete Cover mit bearbeiteten und geschärften Bildern.

Das Buch ist ein Muss für alle, die ernsthaft an thailändischer und laotischer Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte interessiert sind.

Der ausführliche Originalartikel (auf Englisch) steht hier: http://www.phakinee.com/phaya-sekong-mueang-sing/ (verwendet mit freundlicher Genehmigung.)