hmh. Bangkok. Rolf Dettmar, seinen Freunden und ehemaligen Geschäftspartnern in Thailand – und gewiß auch noch vielen „Tipianern“ (Lesern von Thailand TIP Online und Mitgliedern des TIP Forums) – als „Roy“ bekannt, ist gestern, am 22. Juni 2022, im 79. Lebensjahr nach jahrelangem Leiden und fern von seinen alten Freunden und von seinem liebsten Umfeld, in der Nähe von Khon Kaen gestorben.
Mitte 2009 hatte man bei ihm, der ansonsten topfit war, einen Hirntumor festgestellt. Nach der Operation erlitt er als direkte Folge einen Schlaganfall und etwas später fuhr ihn in Phuket beim Ausgang (er ging immer noch zum Laufen um den Block und machte Liegestütze mit der gesunden Hand) ein Motorrad über den Haufen. Seine bei der OP entnommene Schädelplatte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder eingesetzt gewesen; klar daß der Unfall weitere neurologische Ausfälle verursachte. Und dann gab es noch einen zweiten Schlaganfall. Es nützte Roy nichts, daß er aus Sicht der Ärzte an einem „gutartigen“ Tumor operiert worden war.
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In den ersten Jahren nach der OP ging es ihm noch verhältnismäßig gut, obwohl sich trotz dringender Empfehlungen seiner Ärzte niemand um eine sofortige Rehabilitationsbehandlung kümmerte. Er glaubte allerdings auch selbst felsenfest daran, es ohne Reha zu schaffen und brachte seine Freunde und Mitarbeiter damit schier zur Verzweiflung. Schließlich müsse er sich um die Firma und um seine Familie kümmern, das sei Reha genug. Fast scherzhaft sprach er es aus und lag voll daneben.
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Zunächst schrieb und redigierte er sogar noch, wenn auch mit spürbaren Einschränkungen. Gemeinsam mit seiner Frau – de jure die eigentliche Chefin des TIP – schaffte er es, daß seine Zeitung auch während der Krankheit ohne Unterbrechung und mit den gelieferten Texten aller freien Mitarbeiter erschien. Bis 2013 schrieb er sogar noch gelegentlich in seinem geliebten TIP-Forum, aus dem er sich viele Jahre lang die oft besten Geschichten für den TIP und für seine erfolgreichen Broschüren und Bücher aufgesammelt hatte. Unter anderem entstand in dieser Zeit auch eine Art Tagebuch in Brief- und Nachrichtenform, ein erschütterndes Dokument über seine Erfahrungen, letzten Freuden und unerträglichen Demütigungen, zum Teil handgeschrieben, teils per E-Mail, als Forennachricht und über „Messenger“-Dienste.
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Seit dem vergangenen Jahr war er vollständig ans Bett gebunden und hatte eine Magensonde, da er durch künstliche Beatmung nicht mehr selbst essen konnte. Am Ende konnte er wohl keine Nahrung mehr bei sich behalten und ist mehr oder weniger langsam verhungert. Die schlimmsten Leiden verhinderte zuletzt ein starkes Opioid.
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Roy wurde am 20. Oktober 1942 geboren und hatte zwei Brüder, einer davon lebt in der Nähe von Göttingen. Den zweiten, jüngeren, bat Roy nach seiner OP, ihm in Thailand zu helfen. Der Bruder kam tatsächlich und übernahm sofort nicht nur die Redaktion des gedruckten Teils des TIP, der 2008/2009 sowohl als Zeitung als auch im Internet auf dem Höhepunkt seiner Verbreitung gestanden war. Außerdem zog der Neue auch gleich in das Schlafzimmer der Chefin ein, während Roy von da an nie mehr in „seiner“ Zeitung schrieb, was nach kurzer Zeit auch für die meisten früheren Mitarbeiter galt, die entweder freiwillig gingen oder … nun, schreiben wir es so: vergrämt wurden.
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Auf Thailand TIP Online hatte der neue Mann in der TIP Zentrale dagegen keinen Bock, obwohl der TIP im Internet ein Vielfaches an Lesern gegenüber dem gedruckten TIP hatte und die Werbung für Zeitung, Broschüren, Bücher und Sonstiges schon immer vor allem im Internet über die vielgelesenen eigenen und daher äußerst kostengünstigen Webauftritte lief. (Roy vertrieb in Phuket und Bangkok unter anderem auch erfolgreich deutsches Bier, esoterisch angehauchte Säftchen und sogar biologische Insektenvertilgungsmittel).
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Ein guter Freund übernahm den Online TIP, ein anderer rettete das TIP Archiv ab der ersten Ausgabe, an dem der neue Mann ebenfalls kein Interesse zeigte. Der „Neue“, der als „Schaffer“ das genaue Gegenteil seines Bruders war, „schaffte“ im Grunde nur eines — und zwar in kürzester Zeit –, die noch Ende 2009 in bis zu 5000 Exemplaren (Nebensaison 3500–4000) gedruckte und verkaufte (!) „TIP Zeitung für Thailand“ und die letztmals 2012 neu aufgelegten TIP-Broschüren auf unbedeutende Blättchen mit zum Teil unautorisiert abgedruckten Texten zu reduzieren. Am Schluß schien die Zeitung nur noch an einigen wenigen Abonnenten zu hängen, die das Abbestellen vergessen hatten. Einen nennenswerten Vertrieb schien es gar nicht mehr zu geben, die „Tipzeitung“, wie sie jetzt offiziell hieß, war selbst in Bangkok oder Pattaya so gut wie nicht mehr zu finden. Man lebte von der Substanz, d. h. von dem, was Roy zusammen mit seiner Frau aufgebaut hatte, auch die Rente aus Deutschland floß ja weiter.
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Roy war ein Wahl-„Pattayaner“ gewesen, wie er im Buche steht, auch wenn er den einst in Pattaya gegründeten TIP aus geschäftlichen Gründen später nach Phuket verlegt hatte und zuletzt noch eine Niederlassung in Bangkok mit seiner eigenen „Burg“ dazukam. Jedenfalls hat er mir die Frage nach seinem Lieblingsort in Thailand einmal so beantwortet: „Pattaya, ganz klar Pattaya. Pattaya hat alles!“ Das war Anfang 2008; wir saßen im luftigen Laubengang vor seinem Arbeitszimmer im ersten Stock seiner „Burg“ am Stadtrand von Bangkok in der Th. King Kaeo – zwei Stunden von dort nach Pattaya.
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Gelegentlich liebäugelte Roy damals sogar mit einer weiteren „Burg“. Die stand im Isan, der Heimat seiner Frau. Auch dort fühlte er sich wohl, und auch dort hatte der mit seiner Frau gemeinsam erwirtschaftete Erlös aus dem TIP-Imperium für einen ansehnlichen Neubau gereicht. „Meine Burg“ – wenn man den Hauptsitz in Phuket mitzählt, waren es eigentlich deren drei –, das war für Roy ein gelegentlich benutztes Synonym für seinen Alterssitz. Darauf hatte er ein Leben lang hingearbeitet, bis er es sich tatsächlich leisten konnte. Die Rente, die Roy ja auch noch aus Deutschland bekam, deckte außerdem schon die Fixkosten. Die Zeichen standen auf ein sorgenfreies Alter. In Wirklichkeit sollte ihm allerdings nach jenem Gespräch nur noch ein letztes gesundes Jahr bleiben.
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Sowohl den Firmensitz in Bangkok als auch denjenigen in Phuket gab die Chefin danach sofort auf. Sie zog mit dem neuen Blattmacher, der ebenso wie sie weder Phuket noch Bangkok viel abgewinnen konnte, in ihre Heimat, wo der zunehmend hilfs- und betreuungsbedürftige Ehemann außerhalb ihres Wohnhauses auf dem Grundstück untergebracht wurde. In Bangkok hätte Roy in seinem mit Millionenaufwand gekauften und renovierten Firmensitz ein eingetragenes lebenslanges Wohnrecht gehabt, aber alleine dort zu leben war undenkbar. Immerhin fand er im Isan, wie er mir noch einmal mitteilen konnte, einen treuen Gefährten: Nahe des ihm zugewiesenen Nebengebäudes gab es einen Hund; die beiden schlossen eine enge Freundschaft, für Roy die letzte. Wer weiß, vielleicht war ja Roys Nebengebäude die ehemalige Hundehütte gewesen.
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Leider kann ich heute aus Zeitgründen nicht mehr schreiben, aber wer einiges über den Verstorbenen nachlesen will, kann dies hier, hier und hier tun.
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Roy wird morgen, am 24. Juni, verbrannt. Wo genau, konnte mir noch niemand sicher sagen. Ich nehme aber an, daß sein Rauch in einem nahegelegenen Tempel in Ban Ton südlich von Khon Kaen westlich der Nationalstraße 2 aufsteigen wird.
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Zur Suche auf Google Maps: บ้านโต้น อำเภอ พระยืน ขอนแก่น – Ban Ton, Amphoe Phra Yuen, Khon Kaen.
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Über Roys Leben, wie ich es ein Vierteljahrhundert begleiten durfte, auch noch sporadisch und heimlich in seinen letzten Jahren, werde ich zu gegebener Zeit so offen schreiben, wie ich es ihm versprochen habe.
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Ruhe in Frieden.
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Hans Michael Hensel
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Nachtrag 24. Juni: Die Verbrennung war heute im Wat Si Pimon (วัดศรีพิมล) in Ban Ton bei Khon Kaen. Die Asche wird wohl, wie man hört, zunächst dort bleiben, aber es sei Roys in den letzten Jahren gereifter Wunsch gewesen, daß seine Asche nicht in Thailand bleibt (das hätte er sich vor zwölf Jahren nicht einmal im Traum vorstellen können!), sondern beim Grabe seiner Eltern in Deutschland bestattet wird. Ein Familienmitglied, so hört man, wird sie dorthin gelegentlich mitnehmen.