In Kambodscha finden Historiker immer noch ein großes, wenig bearbeitetes Feld. Und viele offene Fragen, zum Beispiel:
• Welchen Anteil hatte Vietnam an den Gewaltexzessen der Roten Khmer, die es erst spät beenden half?
• Warum fanden die kambodschanischen Massenmörder so viele nützliche ldioten im Westen, die ihre angeblichen „demokratischen“ Erfolge bejubelten und propagierten?
• Wieviele dieser Linksradikalen baten in Kambodscha später um Vergebung für ihre Naivität oder Verlogenheit?
• Warum verlängerte Thailand noch Jahre nach dem Sturz der Roten Khmer mit der Duldung von Waffenlieferungen über das eigene Territorium die Leiden der kambodschanischen Bevölkerung und vermehrte die Opfer?
• Warum bot man der fanatischen Linken des Nachbarlandes in Thailand sogar Rückzugsorte, während korrupte Diktatoren in Bangkok damals wie heute selbst gemäßigte liberale Stimmen oft rigoros zum Schweigen bringen?
• Wie kam es dazu, daß ausgerechnet die „DDR“ eines der wenigen Länder war, das die diplomatischen Beziehungen zu Kambodscha auch nach dem Sturz Sihanouks unter dem US-gestützten Regime von Lon Nol aufrecht erhielt?
• Wie schaffte man es in Ost-Berlin, sich danach auch noch den Roten Khmer erfolgreich anzudienen und 1979 abermals unter den ersten Staaten zu sein, welche die neue „Volksrepublik Kampuchea“ anerkannten?
Dutzende solcher Fragen sind auch im fünften Jahrzehnt nach dem Sturz des sozialistischen Massenmörders Pol Pot in Kambodscha immer noch unbeantwortet. Ein Buch von Klaus Behling, das sich nun einigen dieser Fragen widmet, hat Thailand TIP Online-Kolumnist Hans Michael Hensel soeben ausführlich besprochen, wobei er hier (Link: http://www.phakinee.com/bruderbund-todfeindschaft-kambodscha-vietnam/) in einem Exkurs auch auf ganz spezielle westdeutsch-kambodschanische Beziehungen eingeht, die kaum bekannt sind. Dazu mehr weiter unten.
Das Buch heißt „Zwischen Bruderbund und Todfeindschaft. Kambodscha und Vietnam in den Jahren 1970 bis 1979 vor dem Hintergrund ihrer Beziehungen zum Ostblock.“ Der Autor und Journalist Klaus Behling ist wie kaum ein zweiter dazu prädestiniert, ein solches Buch zu schreiben, da er sich eines Gebietes angenommen hat, das er selbst mitgestaltet hat, und zwar insbesondere in bezug auf die Beziehungen Kambodschas und anderer südostasiatischer Länder mit der DDR in den 1970er und 1980er Jahren. Kambodscha hatte nämlich schon zu König Sihanouks Zeiten – und ebenso vor, während und nach den Roten Khmer – stets gute diplomatische Beziehungen zu Ost-Berlin, während man sich in Bonn aufgrund der Hallstein-Doktrin entschloß, seine Botschaft in Phnom Penh zu schließen.
Als Khmerist (Khmer-Sprachkundiger) und Diplomat (unter anderem als Kulturattaché und Geschäftsträger der DDR in Phnom Penh) verbrachte Behling viele Jahre vor Ort und hatte Zugang zu Schlüsselpersonen jener Zeit und zu geheimen russischen, vietnamesischen und DDR-Dokumenten. Er hat nun das getan, was bisher kaum jemand tat, nämlich zum Beispiel darüber zu forschen, weshalb eigentlich kambodschanische und vietnamesische Kommunisten, die noch in der ersten Hälfte der 1970er Jahre gemeinsam gegen den „USA-Imperialismus“ und gegen die von den USA gestützten Regime in Phnom Penh und Saigon gekämpft hatten, überhaupt zu Todfeinden werden konnten. War dieser erste „Rote Bruderkrieg“ unvermeidlich?
Erstaunliche Einsichten erhält man, wenn man sich heute vor Augen führt, daß Kambodschas grausame linke Terroristen auch nach 1978 keineswegs nur etwa von China, Albanien oder Nordkorea unterstützt wurden. Selbst die USA und die Bundesregierung unter Helmut Schmidt stützten nun die ehemaligen Dschungelkämpfer und ihre Vertreter bei der UNO, vor denen die höchstgerüstete Weltmacht ein paar Jahre zuvor in demütigender Weise aus Phnom Penh geflohen war.
Vier jahrzehnte ist es jetzt her – es war der zweite Weihnachtstag des Jahres 1978 – daß die Armee der „Sozialistischen Republik“ Vietnam in das das ebenfalls kommunistisch beherrschte Nachbarland Kambodscha der psychopathischen Roten Khmer einmarschierte, das sich „Demokratisches Kampuchea“ nannte. Bereits am 7. Januar 1979 standen die vietnamesischen Verbände in Phnom Penh. Das bedeutete für Millionen Menschen in diesem ausgemergelten Land die Erlösung von einer vierjährigen Schreckensherrschaft, für hunderttausende von ihnen war es die Rettung vor dem ansonsten fast schon sicheren Tod.
Darüber freute man sich im Westen allerdings ganz und gar nicht: Die Vietnamesen waren als Befreier einfach die „Falschen“ gewesen und richtige Handlungen und Meinungen von „Falschen“ wurden damals schon gerne von vor allem linken Meinungsführern „gecancelt“, auch wenn man den Begriff noch nicht einmal kannte. In Westdeutschland galt es in linken und linksradikalen Kreisen geradezu als schick, sich mit den Roten Khmer zu solidarisieren, ja sogar zu verbrüdern. Tatsächlich hatte sich nämlich der sogenannte „Kommunistische Bund Westdeutschland“ (aus dem zahlreiche Mitglieder später als „Realos“ bei den Grünen Karriere machten sowie teilweise auch bei der SPD und der <acronym lang=“en“ title=“SED-PDS, PDS, Die Linkspartei.PDS, WASG/Die Linke, Die Linke“>SED</acronym>) mit den Massenmördern der Roten Khmer verbrüdert. So geschehen bei einem offiziellen Freundschaftsbesuch bei Pol Pot im Jahre 1978, als die Greueltaten dieser Leute längst allgemein bekannt waren.
Der Leiter dieser Delegation, „Joscha“ Schmierer, erhielt ein paar Jahre später unter zwei deutschen Außenministern mit linksradikaler Vergangenheit, Fischer und Steinmeier, eine hochdotierte leitende Funktion im Auswärtigen Amt, die ihm bis zur Pensionsberechtigung auch nicht wieder genommen wurde. Unter Fischer und Steinmeier war Schmierer unter anderem zuständig für Grundsatzfragen der Europapolitik. Der Pol-Pot-Apologet der 1980er Jahre durfte ab 1999 im Namen des deutschen Volkes etwa den gerade von der sozialistischen Hegemonie befreiten Osteuropäern Ratschläge geben, wie diese Länder „zivilgesellschaftliche Demokratie-Initiativen“ aufzubauen hätten.
Näheres dazu schildert der Rezensent in einem höchst lehrreichen Exkurs zu Behlings Buch im zweiten Teil seiner Besprechung, die Sie hier lesen können: http://www.phakinee.com/bruderbund-todfeindschaft-kambodscha-vietnam/
Klaus Behling: Zwischen Bruderbund und Todfeindschaft: Kambodscha und Vietnam in den Jahren 1970 bis 1979 vor dem Hintergrund ihrer Beziehungen zum Ostblock. („Hamburger Südostasienstudien“ ISSN 1866-3982.) Segnitz bei Würzburg: Zenos Verlag 2022, broschiert, 413 Seiten, ISBN 978-3-931018-30-6, 24,80 Euro. Dem Buch vorangestellt ist eine eingehende, englisch geschriebene Zusammenfassung.
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