Thailands neuer Minister für Tourismus spricht Klartext

Thailands neuer Minister für Tourismus spricht Klartext

Bangkok. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Frau Kobkarn Wattanavrangkul, die für ihren immer rosigen thailändischen Tourismus bekannt ist, ist Weerasak Kowsurat ein Politik-Pedant, der die Misswirtschaft in seinem Ministerium für Tourismus und Sport klar ausdrückt.

„Thailands Tourismusboom verursacht ernsthafte Probleme und die Bürokratie ist schlecht ausgerüstet, um alle diese Probleme zu beheben“. Diese verschärfte Einschätzung kommt von niemand anderem als dem neuen Minister für Tourismus und Sport, Herrn Weerasak Kowsurat.

„Die Probleme werden seit gut 30 Jahren einfach unter den Teppich gekehrt. Dabei hat sich der Teppich im Laufe der Zeit immer weiter angehoben“, sagte der 52-jährige Jurastudent der Harvard-Universität in einem Interview.

„Ich habe nicht genug Zeit, um den Teppich zu wechseln. Was ich tun werde und kann, ist an den Ecken zu ziehen. Dann wird sich zeigen, was bisher tatsächlich alles unter dem Teppich gelandet ist und geklärt werden muss“, sagte er weiter.

Während eines einstündigen Interviews kreiste der ehemalige Vorstand der Tourism Authority of Thailand immer wieder um die gleichen Bedrohungen, denen sich dieser kritische, aber starke Antriebs-Motor der Volkswirtschaft gegenübersieht:

Immer größere Touristenmengen trampeln an sensiblen Stränden, Städten und Orten herum, die natürlich unter den Millionen Besuchern leiden. Aus diesem Grund wurde auch der aus dem Film „ The Beach „ mit Leonardo DiCaprio bekannte Traumstrand von Maya Bay zwischen Juni und September geschlossen. Der Strand muss sich dringend von den Schäden an seinen Korallen erholen und wird deshalb zunächst für vier Monate für alle Besucher und Touristen geschlossen.

Herr Weerasak sagte weiter, dass viele dieser bei den Touristen beliebten Orte allerdings niemals ihren finanziellen Anteil von den zahlreichen Besuchern erhalten. Dass liegt auch mit an der Bürokratie, die offensichtlich nicht weiß, wie sie solche Probleme lösen kann, fügte er hinzu.

Dabei scheut sich Minister Weerasak auch nicht vor seinen Kritikern. „Wir teilen die gleichen Wünsche und Vorstellungen“, sagte Weerasak über die Kommentatoren, die seine Agentur kritisieren und während des Interviews auf Englisch wechseln. „Aber wir haben anscheinend nicht die richtigen Werkzeuge, um alle diese Probleme zu beheben“, fügte er hinzu. „Alles was wir haben, sind Vorschriften auf dem Papier“, sagte er weiter.

Dies ist nicht das erste Mal, das Weerasaks für das Ministerium für Sport und Tourismus tätig wird.. Der Technokrat hielt das Amt schon 2008 zweimal inne. 2008 war ein turbulentes Jahr, das von monatelangen Straßenprotesten geprägt war, die obendrein noch zwei Regierungen stürzten und Bangkoks internationale Flughäfen kurzzeitig besetzt hielten.

Weerasak, der in den Vereinigten Staaten in einer High School ein Jahr als Austauschschüler verbracht hatte erinnerte sich auch daran, dass es eine turbulente Zeit war.

Er wurde nur drei Tage vorher benachrichtigt, dass er das Ministerium für Sport und Tourismus leiten würde, erklärte er weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nie im Tourismus gearbeitet, fügte er hinzu.

„Ich habe den Job genau auf dem Höhepunkt der nationalen Krise übernommen“, sagte Weerasak und benutzte dabei einen Hinweis auf die farbkodierte politische Krise, die damals von den Rothemden und den Gelbhemden ausgelöst wurde.

In den neun Jahren seit seinem letzten Amtsantritt hat sich allerdings auch sehr viel verändert. Zum einen sind die Touristenzahlen von 14 Millionen im Jahr 2008 auf 35 Millionen im Jahr 2017 angestiegen und werden voraussichtlich auch noch weiter ansteigen. Wie bekannt sein dürfte, ist dafür auch eine Explosion der chinesischen Ankünfte in den letzten Jahren verantwortlich. Gerade die chinesischen Besucher sind für ihren Ansturm auf die Städte, die Inseln und die Strände bekannt, die sie meist zu Hunderten im Sturm erobern.

Der Tourismus generierte zwischen Januar und Oktober gemäß den letzten verfügbaren Daten 1,47 Billionen Baht. Dabei sind die letzten drei Monate, die als Hauptsaison bezeichnet werden, noch nicht mit eingerechnet.

Aber Weerasak sagte auch, dass der Segen des Tourismus gleichzeitig auch Thailands Fluch ist. Die Urlaubsziele, die “ Sonne, Sand und Meer „ wie Phuket und seine äußeren Inseln anpreisen, sind jetzt schon gefährlich überfüllt, obendrein von Müllproblemen geplagt und haben kein frisches Wasser mehr.

„Sie haben seit über einem Jahrzehnt keine größeren Infrastrukturüberholungen mehr gesehen“, sagte er.

Auf der anderen Seite sehen die Städte im Norden – mit Ausnahme von Chiang Mai – und im Nordosten kaum Touristen oder profitieren von dem sogenannten Touristen Boom. Weerasak selbst wurde in der nordöstlichen Provinz Ubon Ratchathani geboren.

„Es ist ein Unterschied zwischen denen, die zu viel haben, und denen, die zu wenig haben“, sagte Herr Weerasak. „Genau wie die Ungleichheit in Thailand im Allgemeinen“, fügte er hinzu.

Auf die Frage, ob Thailand ein Opfer seines eigenen Erfolges werde, sagte der Minister, er werde nicht so weit gehen und das behaupten. Länder wie Spanien und Frankreich haben ein höheres Verhältnis von Touristen zur Bevölkerung, aber es geht ihnen gut, sagte Weerasak.

Er selber sieht die Probleme eher bei der thailändischen Haushaltsführung, sagte er erneut. “ Dabei beschwere ich mich nicht über die Quantität der Touristen und Gäste“, sagte er.

Dabei stellte der neue Minister für Tourismus und Sport weiter klar, das zwei Agenturen den thailändischen Tourismus verwalten:

  • Die Tourismusbehörde Thailands (TAT) ist für Kampagnen zuständig, um ausländische Besucher anzulocken.
  • Dagegen ist das Ministerium für Sport und Tourismus dafür zuständig, dass die Industrie reguliert und die inländische Infrastruktur verwaltet wird.

Weerasak verglich ihren Betrieb mit dem Betrieb eines Restaurants. Während die TAT die Ladenfront betreibt und die Kunden anzieht, werden das Essen und der Service von seinem Ministerium verwaltet.

Und die Tourismusabteilung des Ministeriums ist mit den Millionen von Besuchern einfach überfordert, sagte er weiter. Alleine im letzten Jahr sind mehr als 35 Millionen Besucher in Thailand angekommen. Diese Besucher werden von gerade einmal 130 Leuten in seinem Ministerium betreut, fügte er hinzu.

Diese 130 in Bangkok ansässigen Bürokraten – die keinen professionellen Hintergrund im Tourismus haben – müssen eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen, die besser aufgeteilt werden könnten, gab er weiter zu bedenken.

Zu den wichtigsten Aufgaben gehören die Ausstellung von Lizenzen für Reiseleiter und Reiseveranstalter, die Inspektion von Tourismusstandorten und die Unterstützung von mehr als 700 ausländischen Filmproduktionen, die jährlich in Thailand stattfinden.

„Die Mitarbeiter in meinem Ministerium sind nicht dafür ausgebildet, mit diesen Aufgaben umzugehen. Ich nenne es noch nicht einmal einen Job“, sagte Weerasak. „Und niemand hat bisher diese Tatsache jemals der Öffentlichkeit oder der Bürokratie präsentiert. Selbst die Bürokratie ist sich dessen nicht bewusst. Die anderen 19 Ministerien wissen gar nicht, was hier passiert“, betonte er die Situation.

Das Ministerium brauchte Leute, um dieses Jobs zu besetzen, aber die TAT-Mitarbeiter ignorierten die Bitte, sich seinem Ministerium anzuschließen, da die Bezahlung im staatlichen Unternehmen viel besser sei, sagte Weerasak.

Aus diesem Grund hat die Regierung einfach Personal von anderen Staatsabteilungen gemischt, die bisher nichts mit dem Tourismus zu tun haben. Stellen Sie sich vor, nannte er als Beispiel, dass einem Sportlehrer abrupt gesagt würde, er müsse jetzt ab sofort im Tourismus arbeiten, sagte der Minister.

Zu seiner Überraschung gibt es neun Jahre nach seinem letzten Job immer noch die gleichen Probleme wie zur damaligen Zeit, sagte er weiter. Offensichtlich hat sich in all den Jahren nichts geändert.

„Wir haben schon lange darüber gesprochen. Wir haben schon immer darüber gesprochen. Aber wir können die Leute nicht finden, die die Lücke unserer Mitarbeiter füllen können“, sagte er weiter und bemerkte dabei auch einen Mangel an Fachkenntnissen in diesem Bereich.

Die Reporter vor Ort wollten von ihm wissen, wie er all diese Probleme in Zukunft angehen will.

Auf die Frage antwortete Herr Weerasak, dass er die Macht der Technologie und des Internets annehmen und dafür nutzen werde.

Weserasak plant zum Beispiel eine Kampagne mit dem Titel „Etwas sehen, etwas sagen“. Bei dieser Kampagne können nicht nur die Touristen sondern auch die Einheimischen Beschwerden und Fotos von Problemen über die Line-Anwendung oder über das Internet einreichen. Diese Beschwerden oder Anregungen sollen dann von einem engagierten Team bearbeitet werden, die ihrerseits wiederum regionale Beamte über die Probleme informieren werden. Anschließend könne man gemeinsam versuchen, diese gemeldeten Probleme nach und nach zu lösen, sagte er.

Er fuhr weiter fort, seine Vision für eine Crowdsourcing-Aktion zu beschreiben, bei der die Probleme über Touristenattraktionen, die gewartet werden müssen, auf einer Website veröffentlicht werden. Touristen und freiwillige Helfer können dann an diese Orte reisen, um die Probleme sofort vor Ort zu lösen, ohne dabei auf die lokalen Behörden warten zu müssen.

„Es kann ein so genannter Freiwilligentourismus sein. Anstatt in einen Tempel zu gehen, kannst du und jeder andere dabei helfen, diese Orte zu wieder verbessern“, sagte Weerasak.

„Sie werden das Gefühl haben, dass ihnen das Problem gehört. Jeder wird seine eigenen Orte haben, die er verbessern will, und sie werden sich mit ihnen verbunden fühlen, wie das, was Menschen mit Wikipedia-Seiten tun, die sie bearbeitet haben“, sagte er zum Schluss.