Harry Nicolaides befand sich auf dem Flughafen von Bangkok und wollte nach Melbourne fliegen, als er von thailändischen Beamten festgenommen wurde. In dem Haftbefehl heißt es, Nicolaides habe in seinem selbstverlegten Buch, „Verisimilitude“, das 2005 in Thailand erschien, die königliche Familie beleidigt.
Nicolaides sitzt seit knapp drei Monaten in Bangkok in Untersuchungshaft, er teilt die Zelle mit 60 anderen Gefangenen, denen Gewalt- und Sexualverbrechen vorgeworfen werden.
Nicolaides zog das Buch zurück, entschuldigte sich öffentlich bei der königlichen Familie und der thailändischen Bevölkerung, aber dreimal wurde ein Antrag auf Kaution abgelehnt.
In dem Roman, der nur sieben Mal verkauft wurde, befinden sich drei Sätze, die als vermeintlicher Beweis der Majestätsbeleidigung herangezogen wurden. In diesen drei Sätzen bezieht sich der Autor auf Gerüchte, die über die königliche Familie in Umlauf sind.
„Das ist einer der bizarrsten Fälle, von denen ich je gehört habe“, sagt Arnold Zable, australischer Buchautor und Präsident der australischen Geschäftsstelle des Internationalen PEN-Clubs in Melbourne.
Fälle von Majestätsbeleidigung, in die Ausländer verwickelt sind, kommen selten vor. Zuletzt wurde der Schweizer Oliver Jufer verhaftet, der im betrunkenen Zustand Plakate mit dem Bildnis des Königs geschändet hatte. Er verbrachte mehrere Monate in Untersuchungshaft, bekannte sich schuldig und wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Danach verbrachte er noch einige Wochen im Gefängnis, wurde durch den König begnadigt und in die Schweiz abgeschoben.
Doch der Fall Nicolaides ist „ungewöhnlicher als der Normalfall“, sagt David Streckfuss, ein Asien-Experte von der University of Wisconsin, der in Thailand lebt: „Es ist nicht klar, ob ein Thai überhaupt das Buch gelesen hat – und es wurde noch niemals ein Buchautor angeklagt, weil das Buch angeblich majestätsbeleidigende Inhalte enthält.“
Viele bezeichnen Nicolaides als naiv, aber das kann so nicht stehen gelassen werden. Bevor er das Buch 2005 veröffentlichte, schickte er als Vorsichtsmaßnahme je ein Exemplar an die Nationalbibliothek des Ministeriums für Kultur, das Außenministerium und an den Königlichen Hof, um sicherzugehen, daß es bezüglich des Inhalts keine Komplikationen geben würde. Doch Nicolaides erhielt nie eine Antwort.
Als das Buch veröffentlicht wurde, gab es keine Besprechungen, kaum einer las es. Nur 50 Exemplare wurden für die Erstauflage, die ausschließlich auf Englisch erschien, gedruckt.
Es schien, daß das Buch im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten war. Nicht einmal der Autor erwähnte es in Gesprächen.
Die thailändischen Behörden erließen am 17. März Haftbefehl. Nicolaides wurde über das gegen ihn angestrengte Verfahren nicht informiert. Zwischen März und August verließ Nicolaides Thailand fünfmal. Probleme gab es weder bei den Ein- noch Ausreisen.
Als er am Abend des 31. August von der Polizei während der Paßkontrolle verhaftet wurde und Mitarbeiter der australischen Botschaft erschienen, um ihn über die Vorwürfe zu unterrichten, soll Nicolaides „total erstaunt“ reagiert haben.
Reporters Without Borders beschwerte sich bei der Menschenrechtsorganisation der Vereinten Nationen, UNHCR, über den Vorfall, die thailändischen Behörden nahmen Stellung:
Nicolaides werde nicht willkürlich festgehalten. Ihm werde Majestätsbeleidigung vorgeworfen, das sei eine ernsthafte Bedrohung der inneren Sicherheit.
Nicolaides’ australischer Rechtsanwalt Mark Dean findet den Vorwurf, sein Mandat sei eine Bedrohung für die innere Sicherheit, schlichtweg unhaltbar. Ferner beschwert er sich über eine Ungleichbehandlung, weil Thais bei entsprechenden Vorwürfen von wenigen Ausnahmen abgesehen Kaution gewährt wird.
Am 21. November wurde schließlich Anklage erhoben, aber es können noch mehrere Monate vergehen, bis der Fall an das Gericht weitergeleitet wird. The Age