Neuland für das thailändische Justizsystem

Mit den Anklagen wegen Terrorismus gegen die wichtigsten Rothemden-Führer und den Ermittlungen gegen ihre vermuteten Geldquellen begibt sich das thailändische Justizsystem auf bisher unbekanntes Gebiet – was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jeden Versuch einer Versöhnung erschweren, wenn nicht gar vereiteln dürfte.

In etwa zwei Monaten werden wohl die Ermittlungen der DSI und sonstigen beteiligten Behörden in dieser Angelegenheit abgeschlossen sein, denn bis dahin sollen sich diejenigen, die im Verdacht der Finanzierung stehen, zweifelhafte Transaktionen, die teilweise mehrere Milliarden Baht umfaßten, erklärt haben.

Das Ganze wird als ein einziger, großer Fall präsentiert werden, denn die Regierung Abhisit ist bestrebt, den Zusammenhang aufzuzeigen zwischen dem politischen Blutvergießen und den Ereignissen, die diesem vorausgingen, und den angeblichen, böswilligen Beweggründen von Personen, die anscheinend über genug Geld verfügen, um systematisch Gewalttätigkeiten anzuzetteln.

Juristisch wird das ein Alptraum werden. Politisch ist der Prozeß ein einziges Minenfeld.

Die Behörden stützen sich in diesem Prozeß gegen die Rothemden-Bewegung auf ein neues Gesetz, das ironischerweise noch von der Thaksin-Regierung in Kraft gesetzt worden war, die sich davon eine Zähmung der Gelbhemden erhofft hatte.

Das geänderte Strafrecht macht es leichter, Anklage wegen Terrorismus zu erheben, wenn es sich um Straftaten wie Blockaden, Sabotageakte etc. handelt, die schwere wirtschaftliche Schäden zur Folge hatten.

Sogar der Chef der DSI, Tharit Pengdit, räumte ein, daß es für die Bevölkerung praktisch unmöglich sei, keine Vergleiche mit den Verfahren zu ziehen, die gegen die Gelbhemden anhängig seien, wobei diese Fälle aber in den Händen der Polizei, und nicht seiner Behörde, lägen.

Nach den Formulierungen des geänderten Gesetzes müßten sowohl die Besetzung des Parlamentes als auch des Flughafens Suwannaphum als terroristische Akte eingestuft werden.

Aber darüber könnte man sich später noch den Kopf zerbrechen. Im Moment habe er eher das Problem, zwischen harmlosen Mitläufern (auch bei den finanziellen Transaktionen) und gefährlichen Aktivisten zu unterscheiden.

Oder anders ausgedrückt – von den mehreren Dutzend Milliarden Baht, mit denen die Rothemden-Bewegung angeblich unterstützt worden war, wieviel wurde davon verwendet, um Essen und Getränke zu kaufen und Fahrzeuge zu mieten und wieviel diente tatsächlich dazu, Söldner anzuheuern und M79-Granatwerfer zu kaufen?

Wenn die Behörden das zu eng auslegen, wird am Ende praktisch jeder Demonstrant, der sich an der Kreuzung Ratchaprasong aufgehalten hat, als Terrorist eingestuft werden. Das würde den ohnehin schon wackligen Versöhnungsplan endgültig an die Wand fahren.

Aber wenn sich die Behörden ausschließlich auf Bombenanschläge, Schußwaffeneinsatz und abtrünnige Soldaten beschränken würden, ist andererseits der Vorwurf, die Gewalttätigkeiten stünden in einem Zusammenhang mit Abhebungen in einer Größenordnung von einigen Dutzend Milliarden Baht, irgendwann so weit hergeholt, daß er lächerlich wird.

Eine juristische Strategie könnte sein, die Zahl der angeblichen „Terroristen“, die formal angeklagt werden, zu begrenzen und gleichzeitig zu versuchen, das Gericht davon zu überzeugen, daß sogar einige offensichtlich harmlose Aktivitäten der Rothemden von denjenigen, die die Strippen zogen, dazu vorgesehen waren, den Weg für spätere Gewalttaten zu bereiten. Damit könnte man vielleicht rechtfertigen, warum verdächtige Geldbewegungen in Höhe von zig Milliarden Baht verfolgt werden.

„Die Leute denken fälschlicherweise, daß es dabei nur um 83 Personen oder Firmen geht, die möglicherweise illegale Aktivitäten finanziert haben,“ sagte Tharit der Nation in einem Exklusiv-Interview. „Der Fall soll aber eine Gesamtansicht der kompletten Abläufe von Anbeginn an, wie sie geplant und durchgeführt wurden, aufzeigen. Mit anderen Worten – das Geld ist hier nur eines von vielen Teilen des Puzzles.“

Das Problem dabei ist, daß sich diese Strategie scheinbar auf Indizienbeweise stützt, die in großem Umfang zur Anwendung kommen. Die Behörden benötigen daher eine klare, in sich geschlossene Beweisführung, um diesen die nötige Überzeugungskraft zu verleihen.

Tharit schien zuversichtlich, die nötigen Beweise beibringen zu können, obwohl auch er zugeben mußte, daß es bei den finanziellen Transaktionen schwierig werde, zu entscheiden, wessen Geld wohin geflossen sei, sobald dabei Bargeld ins Spiel komme.

„In Thailand hat es noch nie zuvor einen Prozeß dieser Art gegeben. Es gibt kein Musterbeispiel“, sagte er. „Viel wird vom Gericht abhängen, während es unsere Aufgabe sein wird, verdächtige Transaktionen den Gewaltakten zuzuordnen, die geschehen sind. Falls die beschuldigten Geldgeber das Geld für andere Zwecke verwendet haben wollen, müssen ihre Angaben glaubhaft sein.“

Es werde ein zermürbendes juristisches Endspiel geben, gestand er ein, das vermutlich länger dauern werde als die Karrieren vieler Beteiligter. „Dies ist so ein gigantischer Fall, der höchstwahrscheinlich auch noch durch drei Instanzen gehen und daher vielleicht sieben oder sogar zehn Jahre dauern dürfte…“ tn