Die Behörden ließen Studenten aus Uthen Thawai und Pathumwan vor laufenden Kameras Hände schütteln, die versprachen Frieden und Harmonie. Weniger als zwei Wochen später gingen die rivalisierenden Studenten im Kaufhaus Mahboonkrong aufeinander los und verwandelten es in ein Schlachtfeld. Peinlich?
Kinder trinken minderwertige Milch, denn die Lieferanten stellen sie aus importiertem Milchpulver her und verdünnen das Produkt zu sehr. Gleichzeitig fordern die Behörden Landwirte auf, mehr Milch zu produzieren, weil es in Thailand zu wenig Milch gibt. Aber die Farmer kippen bei Protesten die Milch auf die Straße, weil es keinen Markt dafür gibt. Lächerlich?
Die Behörden behaupten, einige Pflanzen seien gesundheitsgefährdend, daher sollen Farmer Chemikalien benutzen, obwohl Studien des Gesundheitsministeriums, die zwischen 1998 und 2003 durchgeführt wurden, besagen, daß jedes Jahr 2000 Bauern wegen des Gebrauchs von Pestiziden erkranken. Allein 1999 starben 30 Bauern. Absurd?
Das Kabinett beschloß ein neues Filmbewertungssystem mit Kategorien „für alle Zuschauer geeignet“, „ab 13“, „ab 15“ und „ab 18“. Interessanter ist aber eine Kategorie, die es den Behörden ermöglicht, Filme zu verbieten, wenn diese die Monarchie verunglimpfen, die nationale Sicherheit gefährden, der nationalen Einheit entgegen wirken, Gläubige beleidigen, ehrenhafte Personen respektlos darstellen, die Moral herausfordern und Sexszenen zeigen. Das bedeutet, daß das neue System dem Staat noch mehr helfen wird, willkürlich zu zensieren und zu verbieten. Widerlich?
General Chaiyasith Shinawat soll Rituale durchführen, die mit Schwarzer Magie zu tun haben, die gegen die von den Demokraten angeführte Regierung gerichtet sind. Gleichzeitig erschien ein Buch, das genau diese Rituale in bezug auf die thailändische Politik anprangert. Unheimlich?
Inkompetenz. Korruption. Noch mehr Korruption. Unterdrückung. Schwarze Magie. Die oben genannten Vorfälle spielten sich alle in diesem Monat ab. (Und der ist noch lange nicht vorbei.)
Es scheint keine Rolle zu spielen, wer an der Macht ist. Ob die „Thaksianer“ oder die „Eilitisten“. Die einzige Konstante im Königreich ist… Gleichgültigkeit.
Sehen Sie sich um, natürlich haben wir tolle Hotels und Einkaufszentren, aber als Gesellschaft haben wir nur eines erreicht: Gleichgültigkeit. Sowohl politisch und gesellschaftlich als auch kulturell und pädagogisch hat Thailand in seiner Gesamtheit nur einen Grad von Gleichgültigkeit erreicht, insbesondere dann, wenn man die vielen menschlichen und natürlichen Ressourcen einbezieht.
Wir sind gleichgültig, weil die Behörden hart arbeiteten, um aus uns oberflächliche und fügsame Ignoranten zu machen, und wir ließen sie. Wir sind gleichgültig, denn wir ließen die gierigen, korrupten Unterdrücker mit ihrer Unterdrückung, Korruption und Untauglichkeit immer davon kommen.
Wir sprechen nicht genug. Wir protestieren nicht genug. Wir marschieren nicht genug. Ironischerweise, wenn wir doch etwas machen, müssen wir uns ein gelbes oder rotes Hemd anziehen und im Namen der gierigen uns manipulierenden Potentaten marschieren – für die wir Leib und Leben riskieren, um deren persönliche Absichten zu unterstützen.
Deshalb sind die Dinge in Thailand so wie sie sind – gleichbleibend, stagnierend, kein Perpetuum Mobile, sondern ein Perpetuum Schwarzes Loch voller Gleichgültigkeit, während andere Länder in ihrer Entwicklung an uns vorbeiziehen.
Wir haben großartige menschliche und natürliche Ressourcen, aber wir verschwenden sie einfach aus Gier, Neid und Borniertheit. Ich würde meine Landsleute gerne ganz naiv fragen: Wie lange sollen diese Leute Thailand noch korrumpieren und unterdrücken dürfen? Wie lange dürfen sie uns noch für dumm verkaufen?
Wie lange können wir uns noch in der Umkleidekabine eines tollen Einkaufszentrums verstecken oder auf dem Grunde eines Cocktail-Glases bei irgendeinem gesellschaftlichen Anlaß? Wie lange können wir unsere Köpfe in TV-Schnulzen und Promi-Shows begraben? Wie lange können wir uns noch hinter einer sechs Zentimeter dicken Schicht Hautaufheller verbergen? Wie lange dauert es noch, bis die Tätowierung auf unserer Stirn chirurgisch entfernt wird, die da lautet: Mai Pen Rai? Wie lange dauert es noch, bis wir den Hintern hochbekommen und etwas für unser Land und uns selbst tun?
Die Antwort ist, wir können die ganze Inkompetenz, Korruption und Unterdrückung für eine sehr, sehr lange Zeit aushalten. Wir habe lange, lange nichts dagegen, daß wir oberflächliche und fügsame Ignoranten sind. Warum? Wegen drei kleiner Worte, die die Einstellung unserer Gesellschaft beschreiben. Mai Pen Rai. Die Gesinnung ist: Das macht doch nichts. Kein großes Problem. Das hat nichts mit mir zu tun. Das ist Thailand. Es ist eben so, wie es ist.
So lange die Eitelkeit der Reichen mit ihrem glamourösen Lebensstil gefüttert wird, die Ignoranz der Armen beibehalten wird, indem sie ständig TV glotzen und die Mitteklasse damit beschäftigt ist, ihre Häuser, Autos und Schulden abzuzahlen und wegen einer Wirtschaftskrise in Panik geraten, die sich alle paar Jahre wiederholt, so ist alles Mai Pen Rai, was die sozialen und politischen Mißstände des Landes anbelangt.
Sicherlich möchten wir manchmal weinen und jammern. Einige von uns schreiben darüber sogar Kommentare in Zeitungen. Aber danach kehrt man wieder zum Status Quo zurück. Mai Pen Rai.
Studenten zweier Schulen, die sich seit über 30 Jahren bekämpfen und gegenseitig töten? Mai Pen Rai. Das sind nur Studenten der Arbeiterklasse, die keine guten Hochschulen besuchen können.
Kinder, die minderwertige Milch trinken, während Industrie und Behörden sich an dem Milchmonopol dumm und dämlich verdienen? Mai Pen Rai – nur arme Kindern sind auf Schulmilch angewiesen.
Heilkräuter werden verboten, weil die Lobbyisten mehr Geld haben als Regierungsbeamte Moral? Mai Pen Rai. Im Fernsehen läuft die Oscar-Verleihung, eine schöne Phantasie. Hier geht es um Prioritäten, wußten Sie das nicht?
Zensur, Unterdrückung? Mai Pen Rai – kaufen wir eben eine DVD auf der Silom Road. Schwarze Magie? Nun, das ist Thailand, da gibt es so etwas. Seien Sie auf der Hut, seien Sie besser auf der Hut!
Das scheint unsere Einstellung zu sein. Wir zeigen keinen Zorn. Wir fordern keine Gerechtigkeit. Wir verfolgen keine Ermittlungen. Wir lehnen uns einfach zurück und hören den Behörden zu, wie sie sagen, es werde eine Untersuchung eingeleitet. Und ein paar Monate später ist alles vergessen. Mai Pen Rai.
Wir Thais haben es leicht. Da gibt es Fisch im Meer und Reis auf den Feldern. Wenn wir im Meer keine Fische mehr fangen, dann fischen wir eben im Meer anderer Leute. Dann werden sie von somalischen Piraten gekidnappt oder von Burmesen ins Gefängnis geworfen. Aber das geht in Ordnung, Mai Pen Rai. Sind ja nur ein paar arme Leute.
Diese Mai-Pen-Rai-Einstellung, dieser Krebs der Gleichgültigkeit, das gibt es nicht nur in Thailand. Es handelt sich um eine weltweite Seuche. Aber meines Wissens nach hat noch kein Land mit Mai Pen Rai (oder der Gleichgültigkeit als Kulturgut) Werbung als Touristenattraktion gemacht. Es gibt sogar Bücher, die sich mit der Anmut von Mai Pen Rai beschäftigen… bp