7. Folge (Mai—September 2007)
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An der Universität von Arizona hat man laut Neon (das ist ein pubertierender Stern-Ableger, also eine Art Zeitschrift, wie manche behaupten) folgendes herausgefunden: In öffentlichen Toiletten wird immer die Kabine am wenigsten genutzt, die dem Ausgang am nächsten liegt. Selbst wenn Sie die nun wider besseres Wissen weiterhin meiden, können Sie sich nun dort künftig im Notfall vielleicht wenigstens noch das überall sonst schon geklaute Klopapier besorgen.
Ein Trost für alle, die über die Absahnerpreise der Liegenschirmiosi in Phuket schimpfen: In Rimini kostet ein Strandschirm mit zwei Liegen laut Münchner Abendzeitung bis 40 Euro pro Tag, also umgerechnet 1 900 Baht. Schlauer wäre es da wohl, sich diese Möbel bei der nächsten Aldi-Aktion für 39,90 Euro selbst anzuschaffen, das Zeug in Rimini sofort nach Ankunft meistbietend zu verscherbeln und es sich dann vom Gewinn drei Wochen lang gutgehen zu lassen – natürlich am Schwimmpfuhl im Hotel (keine Algen und keine Seeigel…) und auf schönen Ausflügen.
Obwohl man seit Jahrzehnten weiß, daß das am besten kontrollierte, reinste und gesündeste Lebensmittel in 99 Prozent aller Orte in Österreich, der Schweiz und Deutschland blankes Leitungswasser ist (am besten gleich früh nach der Dusche ein großes Glas aus der Leitung langsam trinken – gesünder kann der Tag nicht beginnen), kaufen die Leute immer noch zuhauf in Flaschen abgefülltes ‹Tafelwasser› zu grotesken Preisen. Es ist ja kein Zufall, daß die klitzekleinen Fläschlein in manchen Restaurants immer mehr gewissen Parfümflakons mit französischen Aufschriften ähneln – und ebensoviel kosten, obwohl die Firma im nahen Harz hockt.
Der Gipfel des Unsinns ist dabei das gar nicht selten nochmal doppelt so teure sogenannte ‹Stille Tafelwasser›, das derzeit ‹hip› ist und genau deshalb (und nur deshalb) fast immer mehr kostet als das genau gleiche H2O mit Kohlensäure.
Holen Sie statt dessen lieber, wenn es unbedingt was Gekauftes sein soll, bei der nächsten Getränkemarkt-Aktion wieder das billigste Mineralwasser mit Kohlensäure zu 99 Cent pro Zwölfer-Kasten. Für ‹Stilles Wasser› gehen Sie so vor: Sie werfen ein Reiskorn in die soeben geöffnete Flasche und können zusehen, wie die gesamte Kohlensäure binnen 20 Sekunden komplett verdampft. Ein einziges Reiskorn genügt für die Vorstellung, die nebenbei am Tisch auch ausgiebig Gesprächsstoff über die Ahnungslosigkeit der Konsumenten liefert.
Noch nützlicher als das als ‹Tafelwasser› teuer bezahlte Leitungswasser in Flaschen ist die gute alte Cola Brause. Sie darf in keinem Haushalt fehlen. – Aber nein, selbstverständlich empfehle ich ausdrücklich nicht, das braune Zeug etwa zu trinken, wo denken Sie hin! Aber gerade in Thailand ist Cola wirklich unentbehrlich und spart oft den Handwerker im Haus. Meine Flugzeuglektüre Men’s Health listete soeben auf, wozu sich die Brühe am besten eignet (keine Satire):
Abflußreiniger: Ein Glas Cola den Abfluß ’runter, und Ihre Rohre sind wieder blitzblank!
Fliegenfänger: Cola mit Bier mixen und einen Tropfen Spüli drauf. Fliegen fliegen auf dieses Gebräu – und ersaufen augenblicklich.
Insektenentferner: Mit Cola getränktes Zeitungspapier eine halbe Stunde auf die verschmutzten Stellen Ihres Autos legen; dann mit Wasser abspülen.
Entrostungsmittel: Verrostetes Werkzeug eine Stunde in Cola legen. Die Phosphorsäure frißt den Rost weg. Zuckersäuren beschleunigen den Auflösungsprozeß. Sogar angerostete Schrauben kriegen Sie mit dem Zeug wieder los.
Party-Fontäne: Vier Mentos Kaubonbons in eine große Colaflasche, Verschluß offen lassen und nichts wie weg; denn jetzt geht alles rasend schnell…
Für das Wohnzimmer würde ich letzteres nicht empfehlen, aber bei einer Feier im Garten kann man mit der schönen Fontäne immerhin dafür sorgen, daß keiner das braune Zuckerwasser etwa doch versehentlich trinkt.
Nachtrag zur TIP-Kolumne ‹Klima und Kleidung›: Die Kolleginnen der Redaktion von Glamour schlugen jetzt in die gleiche Kerbe bzw. noch besser: sie haben endlich die Lösung für die bescheuerten Touristenuniformen, in denen vor allem männliche Langnasen in Thailand oft ’rumrennen. Die Damen ließen bei einer Umfrage unter ihren Leserinnen herausfinden, daß es 72 Prozent aller Frauen in Ordnung fänden, ‹sein› scheußliches T-Shirt (und die grauen Socken samt Watschelsandalen) klammheimlich verschwinden zu lassen.
Solche wunderbaren Umfragen versöhnen mich regelmäßig mit unserer Welt. Vielleicht retten unsere Frauen ja mit etwas mehr Konsequenz doch noch die westliche Kultur…?
Zum Ausgleich bekommen jetzt aber auch noch die Thais ihr Fett ab: Abseits des innersten Touristenghettos, wo ein paar standartisierte Gesten gegenüber Ausländern viel zum Umsatz beitragen können, trifft man hierzulande außerordentlich viele Rüpel an: Kinderstube? Fehlanzeige. Das bestätigte ein Test der Zeitschrift Reader’s Digest in 35 Weltstädten. Unter anderem in Bangkok.
Obwohl die Strategen der hiesigen Touristikindustrie so geschickt wie nur wenige das genau gegenteilige Image propagieren, hielt die lächelnde Thai-Fassade der kritischen Überprüfung wieder mal nicht stand: Wenn Sie hier im Vertrauen, daß Ihnen der Vordermann die Türe aufhält, frohgemut ein Restaurant oder Kaufhaus betreten, ist es in Bangkok sehr wahrscheinlich, daß Ihnen die hier üblichen schweren Glas-Schwingtüren buchstäblich vor die Nase geknallt werden. Der Grüßaugust, der vor dem Siam Paragon oder im Mall Bang Khae die Tür aufhält, ist nicht der Beweis des Gegenteils, sondern Folge dieser Tatsache bzw. die Notwehr der Mall-Gruppe gegen ihre gedankenlosen Rüpel-Kunden.
Bangkoker Kaufhaus-Service ist oft ausgesprochen unfreundlich und davon, daß man ihnen auf der Straße hülfe, wenn Ihnen eine Mappe mit Papier herunterfällt, träumen Sie besser gar nicht erst. Prompt landete Bangkok mit nur 45 von 100 möglichen ‹Höflichkeitspunkten› unter 35 Städten nur auf Platz 25. Die höflichsten Metropolen waren New York (80 Punkte), Zürich (77), Toronto (70), Berlin, São Paulo und Zagreb (je 68).
Immerhin schaffte man es bei der Ehrlichkeit ins Mittelfeld: Im August 2007 meldete erneut Reader’s Digest, daß in Bangkok von 30 absichtlich ‹verlorenen› Mobiltelephonen immerhin 21 vom ehrlichen Finder wieder zurückgegeben wurden. Das reichte unter 30 Städten zum 14. Platz neben Berlin und vier weiteren Städten. Weltweit am ehrlichsten war man übrigens in – jawohl! – Ljubljana.
Laut Börsenblatt des Deutschen Buchhandels gibt es jetzt die passenden Bücher für die PISA-Generation. Der Londoner Orion Verlag druckt stark gekürzte Klassiker für alle Zappel- und Zapperphilipps, für die jeder Lesestoff, der über ein paar Zeilen hinausgeht, Folter ist. Mit toten Schriftstellern kann man das ja machen und thailändischen Verhältnissen nacheifern, wo auf 1000 Landeskinder laut Statistik 70 Zeitungsleser kommen und wo Somchai Durchschnittsbürger pro Tag ganze acht Textzeilen liest; Verkehrsschilder eingeschlossen.
Der Deutschlandfunk meldete in seinem samstäglichen Verbrauchermagazin, daß in einem durchschnittlich gepflegten deutschen Kühlschrank deutlich mehr Keime leben als in einer durchschnittlich gepflegten deutschen Toilette.
Ein führender Sexualwissenschaftler räumt mit Vorurteilen auf: Die meisten Männer, schreibt Edward Laumann, seien aus gutem Grund viel zu faul für ständig wechselnde Sexpartner. Das sei nämlich völlig unrationell: Wer nur einen Sexpartner hat, hat am häufigsten Sex. Je mehr unterschiedliche Sexpartner einer im Jahr hat, desto seltener hat er insgesamt Sex.
Aus meinem Papierkorb 6. Folge Dezember 2006—Mai 2007
Christian Roll ist tot; seine Asche im Meer. Gerade brachte die Sülzdeutsche eine ganze Seite Nachruf über den legendären ‹Reporter›, ‹Gelehrten›, ‹Müßiggänger›, ‹Frauenhelden› und ‹Kunstsammler›, der im Februar 92jährig gestorben war. Dabei war Roll eigentlich gar kein Reporter. In Wirklichkeit war weder das Photographieren seine Sache, noch war er das, was man etwa eine ‹Edelfeder› nennt. Er kam nur mehr herum als ‹richtige› Journalisten, die ja oft schon aufgeben, wenn man sie mal wo hinschickt, wo es bloß Hocktoiletten gibt. Und er hatte immer seine Reiseschreibmaschine dabei.
Roll nutzte das Etikett ‹Presse› vor allem, um sich das Reisen und Bleiben zu erleichtern. In Wirklichkeit war er ein skurriler Einzelgänger; ein Abenteurer, der durchdringend nach altem Rauch stank und sich, jedenfalls als ich ihn kennengelernt habe, seine grauen Zellen schon derart an den Alkohol gewöhnt hatte, daß Gespräche mit ihm wohl erst ab etwa 1,5 Promille interessant wurden. Er wußte das aber und war selten langweilig, weil er, wie ich vermute, ohnehin kaum jemals unter diesen Pegel abrutschte. Nüchtern soll er gelegentlich wirres Zeug geredet haben, wie ich aus unsicherer Quelle erfuhr, was aber vielleicht auch nur die eigentliche Wahrheit war.
Ich habe ihn Anfang der 1980er Jahre auf Empfehlung von Max Henn, dem genialen Hochstapler und Gründer des Bangkoker Atlanta Guesthouse, in Hongkong kennengelernt und dann nochmals auf einer Messe getroffen. In den Stunden zwischen Messeschluß und Polizeistunde lernte ich damals wohl mehr über Mong Kok und Wan Chai, und noch einiges mehr, als bei allen weiteren Besuchen in dieser Stadt zusammen.
Henn und Roll kannten sich flüchtig aus Britisch-Indien, wo sie beide bis 1946 in Dehra Dun interniert waren.
In Bangkok stieg Roll immer bei Henn ab. Nicht jedoch, weil man etwa dicke befreundet war (weder Henn noch Roll hatten, soweit ich weiß, überhaupt jemals irgendwelche wirklich nahen Freunde), sondern weil man ins Atlanta, das schon damals eigentlich gar kein Hotel, sondern eher ein „Club“ war, jederzeit eine oder auch mehrere Damen oder sonstige Geschöpfe in die großen Zimmer mitnehmen konnte, ohne daß dort irgendjemand die Miene verzog oder gar Fragen stellte.
Ich besitze einen schon ziemlich vergilbten Zeitungssausschnitt von 1967 aus der seligen, leider vom Spießerblatt Bangkok Post geschluckten, Bangkok World. Henn kündigte dort einen Besuch von Roll in seinem Hotel in einem beeindruckenden Bericht an. Der Artikel, mit Paßphoto von Roll, war reine PR und erschien in Wirklichkeit erst, als Roll, der persönliche Gast von „Dr.“ Max Henn (der aber im Restaurant bezahlen mußte), gerade abgereist war.
Die letzten 22 Jahre, seit er sich Hongkong nicht mehr leisten konnte, lebte Roll wieder in Deutschland. Er machte einen Teil seiner Kunst-, Antiquitäten- und Kitschsammlung zu Geld und entsorgte seine Bücher, die er wegen eines Augenleidens nicht mehr lesen konnte, als Geschenk für das Münchner Völkerkundemuseum, die einige davon tatsächlich behalten haben sollen. Seine letzten Jahre müssen, wenn ich zwischen den Zeilen der SZ richtig las, ziemlich schlimm gewesen sein.
Christian Roll ist jedenfalls, so scheint es mir, ein schönes Beispiel dafür, daß auch ein berüchtigter Bargänger und Kettenraucher die Chance hat, von der Nachwelt geradezu heiliggesprochen zu werden. Wie man das schafft? Nun, Roll mußte dazu nur fast alle überleben, die seine Geschichten auch noch kannten. Hilfreich ist es zudem, jüngere Journalisten zu treffen, die zu unerfahren oder zu bequem sind, um mal eine oder zwei der Geschichten, die ihnen der alte Schwerenöter vor seinem Abtritt noch zugehaucht hat, ernsthaft nachzurecherchieren. Das letztere hatte er mit Henn gemeinsam, der inzwischen auch auf dem Weg zur Heiligsprechung ist.
Ich bin aus der SPD ausgetreten. Einige Jahre war ich Vorstandsmitglied im Ortsverein meines fränkischen Heimatdorfes, habe für Parteiblätter geschrieben und sogar ein Buch über einen der Gründerväter der SPD herausgegeben und mit dran geschrieben.
Ursprünglich war ich bei den Grünen. Am gleichen Tag, als Herbert Gruhl aus der CDU austrat und die Grüne Aktion Zukunft gründete, schrieb ich nach Bonn und bat um Aufnahme. Das war damals eine aufregende Zeit. Gruhls Buch Ein Planet wird geplündert wog locker jeden Krimi auf. Später fand ich die SPD dann doch irgendwie vernünftiger. Und meine Lieblingslehrer waren sowieso immer alle bei den Sozen gewesen.
Warum ich nun austrat: Es gab viele Dinge, die mich – durchaus auch im Ortsverein –, zunehmend gestört hatten.Vor allem fand ich das Geschwätz bestimmter Genossen zunehmend unerträglich. Ich hatte die Nase voll von Auftritten dieser oft unterdurchschnittlich gescheiten Leute. Vor allem solcher, die nicht etwa wegen irgendwelcher Talente zur Parteispitze aufstiegen, sondern weil man ihnen einen neuen Vornamen andiente. Etwa ‹Die Parteilinke Andrea Nahles›. Hohles Klassenkampf-Geschwätz plus Frau: Damit wird man bei der SPD, wie mir in den letzten Jahren oft schien, augenblicklich unkündbar, egal wieviel Unsinn man redet.
Von der rot-grünen Koalition habe ich, abgesehen vom Wahlplakat-Grinsen des insgesamt neun mal geschiedenen Pascha-Führungsduos, kaum noch etwas in Erinnerung. Allenfalls noch die Stoßatmung der Renate Schmidt, die ununterbrochene Betroffenheit der begnadeten Dummschwätzerin Claudia Roth, und die Tatsache, daß in dieser Zeit neben dem endgültigen Untergang der politischen Ehre auch noch der Niedergang unserer Sprache besiegelt wurde: Agenda statt Tagesordnung, Statement statt Ansprache, Minijobs statt Arbeit. Und aus der Bundesanstalt für Arbeit, weiland auch als Arbeitsamt bekannt, wurde eine Bundesagentur, was prompt mit einigen Extra-Milliönchen für neue Schilder und Briefköpfe die Werbewirtschaft ankurbelte. In dieser selbsternannten Kreativ-Branche arbeiten bekanntlich überwiegend Sozen und Grüne. Und überhaupt machten die kettenrauchenden Strucks und Münteferings nun plötzlich Sinn, obwohl im Deutschen doch eigentlich seit Jahrhunderten etwas entweder von vornherein Sinn hat (falls er sich nicht für den Betrachter ergibt) – oder eben nicht.
‹Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit.› schrieben einst die Verfassungsväter. Das hatte Sinn, der sich auf den ersten Blick ergab. Heute machen die Parteienschwätzer daraus einen anderen.
Und dann war da noch Gerhard Schröder, der beim Fußball vor der Glotze biertrinkende Oberprolet dieses Hühnerhaufens, der im italienischen Neureichen-Anzug redegewandt alle Steuerflüchtlinge Verräter schimpfte, inzwischen aber sein Gazprom-Pöstchen für ein paar Milliönchen zweimal im Jahr im Steuerparadies Zug in der Schweiz ‹ausübt›.
Wer in den 1970ern (ich mit 15) nicht links war, hatte kein Herz. Wer es aber heute (ich mit 50) in Deutschland immer noch ist, hat keinen Verstand.
‹Ehe auf dem Rückzug› hieß kürzlich ein Leitartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auf einen Nebenaspekt dieses Themas wies jetzt ein fachkundiger Leserbriefschreiber hin: Deutsche Familiengerichte seien zunehmend damit beschäftigt, Ausländerehen nach deren Recht (!) mit deutscher Prozeßkostenhilfe aller Steuerzahler zu scheiden.
Nicht selten müßten dabei die Familienrichter erst aufwendig in gewisse juristische Eigentümlichkeiten derjenigen Länder einsteigen, aus der die Scheidungswilligen kommen. Wie das in der Praxis läuft, erklärte dem Mann ein erfahrener Familienrichter an einem Beispiel: Wann wird vom Gericht zum Beispiel eine besondere Härte zur Verkürzung des vorgeschriebenen Trennungsjahres angenommen?
In dem für das politisch-korrekte Deutschland interpolierte anatolisch-neudeutsche Scheidungsrecht (meine Interpretation) geht das so: Einmal blaue Augen reichen noch nicht aus, um die sofortige Trennung amtlich zu vollziehen; wöchentliche Veilchen dagegen schon.
Pfarrer Clemens Fabry von der katholischen deutschsprachigen Gemeinde in Bangkok versteckt zur Freude seiner Leser immer wieder mal ein paar Schmankerl in sein Mitteilungsblatt Gemeinde Unterwegs. Zum Beispiel las man dort schon erstaunlich offene Worte über die Heiligsprechungen, die seit Jahrzehnten in Rom geradezu eine Inflation erleben. Jüngst war in Gemeinde Unterwegs nun ein Bericht über eine erstaunliche Untersuchung aus Schweden zu lesen. Laut Wirtschaftszeitung Dagens Industri hat die evangelische Kirche in Schweden eine ‹Marktdurchdringung› von 80 Prozent. Ein entsprechend großer Anteil der Schweden sei nämlich Mitglied dieser Kirche. Eine solche ‹Marktdurchdringung› sei fast konkurrenzlos gut.
Allerdings hat der … ähem, Räusper … ‹Kirchenkonzern› ein Problem mit der Kundenzufriedenheit: Insgesamt kam man nämlich mit einer Zufriedenheitsquote von 46 Prozent bei einer Befragung von 800 Schweden nur auf Rang 14 einer Vertrauensskala, in der zum Beispiel IKEA 80 und Volvo 69 Prozent erreichten. Auf der anderen Seite scheinen die Schweden auch fünf Jahrhunderte nach dem Beginn der Aufklärung immer noch mehr Vertrauen in überirdische denn in irdische Dinge zu hegen: Die derzeitige schwedische Regierung erreicht nämlich laut Gemeinde Unterwegs gerade mal eine Zufriedenheitsquote von 30 Prozent…
Kluge Köpfe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz haben herausgefunden, daß die meisten Unfälle beim Fußball passieren! Bei der Ausübung dieser Kriegssportart komme es in Deutschland jährlich zu 1,5 Millionen behandlungsbedürftigen Verletzungen. Gleich danach folgen die Handballer. Am sichersten leben Radfahrer. Letzeres gilt vermutlich auch im übertragenen Sinne.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet Petra Kolomko von einer ‹Toleranzoffensive› der Pekinger Mörderbande und ihrer Nachfolger, die u. a. für das Massaker von 1989 verantwortlich sind und bis heute tagtäglich dutzendfach umbringen, prügeln und foltern lassen.
Es liest sich fast rührend: Diese Halsabschneider, allesamt Auftraggeber bzw. Komplizen oder Hehler von Mördern, Schlägerbanden, Folterern und Kindsentführern (das Schicksal des vor zwölf Jahren von diesen Verbrechern entführten, inzwischen 18jährigen Pantschen Lama ist zum Beispiel bis heute ungeklärt), haben pünktlich vor der Olympiade in Peking die alte Volksreligion des Taoismus wiederentdeckt, die man noch vor kurzem überall als Aberglauben bekämpft hat.
Jetzt ist Tao wieder gesellschaftsfähig, da nützlich beim Aufbau der hohlen Fassaden für die ausländische Presse im nächsten Jahr. Was also stört die Pekinger sogenannten ‹gemäßigten Kommunisten› ihr Geschwätz von gestern? Im Taoismus ist u. a. von einer Einheit von Natur und Mensch und ähnlichem die Rede. Weiß der Henker, wie das zum versifften China passen soll, dessen Flüsse Kloaken, dessen Gemüsefelder giftige Müllplätze und dessen Luft an 90 Prozent aller Tage im Jahr staubige Gaskammern sind. 13 der 20 dreckigsten Städte der Welt sind in China.
Journalisten, die zur Olympiade in Peking auch nur einen einzigen Artikel oder Film fabrizieren, ohne zugleich auf die Millionen Toten und Gefolterten hinzuweisen, die dieses gemeine, verabscheuungswürdige Regime seit Mao Tse-tung auf dem Gewissen hat, verfluche ich heute schon. Mögen sie alle im nächsten Leben als Kakerlaken wiedergeboren werden.
Aus meinem Papierkorb 5. Folge (August—November 2006)
Das eigentümliche Bergvolk in den Zentralalpen ist eines der am wenigsten verstandenen in der Welt. Jetzt naht Abhilfe: unter http://www.blogwiese.ch/ gibt es einen Schweizerflüsterer, der diese seltsamen Leute versteht und erklärt. Die Seite ist witzig und informativ und lohnt sich besonders für die, die immer glaubten, Sie würden schon schwyzerdütsch verstehen, wenn Sie über Emil Steinberger lachen können.
Mein Studien- und Redaktionskollege Stephan Weidner machte mich auf einen Denkfehler in der Kolumne der ersten Augustnummer aufmerksam: Vom Oriental Hotel ‹und anderen Geldvernichtungsinstitutionen› hatte ich geschrieben. Das mit der Geldvernichtung sei reiner Unsinn, tadelte Stephan. Wenn ich als Betriebswirt sowas schriebe, sei das bloß der Beweis, daß ich damals in den gemeinsamen Vorlesungen bei Professor Dr. rer pol Horst-Joachim Jaeck in Würzburg gepennt hätte.
Ich geb’s nicht gerne zu, aber der Kollege hat recht. Was aber bedeutet das für TIP-Leser? Wenn Sie, nachdem Sie an der Seite einer Thai-Gattin die Baukonjunktur im abgeholzten nordöstlichen Urwald angekurbelt haben, dort nach getaner Arbeit ’rausgeschmissen werden (Happy End geht hier bekanntlich so: Ausländer weg — Vermögen da) ist ihr Geld tröstlicherweise NICHT weg. Geld verschwindet nämlich überhaupt nie. Es ist dann nur woanders.
Das Unterhaltsamste am TIP sind die politischen Kommentare. Als ich kürzlich zweimal für ein paar Wochen nicht an den TIP kam, litt ich an Entzugserscheinungen. Allen, die auf die Politik im TIP schimpfen, sei gesagt, daß sie nicht den TIP ohne Politik, sondern in Wirklichkeit eine andere Zeitung wollen.
Aus diesem Anlaß mal etwas historischer Politik-Senf aus meiner Sammlung:
• Demokratie muß mehr sein als zwei Wölfe und ein Schaf, die über die nächste Mahlzeit abstimmen. (James Bovard)
• Der Regierung Geld und Macht zu überlassen ist so, als gebe man Halbwüchsigen Whiskey und Autoschlüssel. (P. J. O’Rourke)
• Politiker versprechen sogar dann eine Brücke zu bauen, wenn es gar keinen Fluß gibt. (Nikita Chruschtschow)
• Eine Regierung, die Peter ausraubt, um Paul zu bezahlen, kann sich Pauls Unterstützung immer sicher sein. (George Bernard Shaw)
• Ich bin davon überzeugt, daß sämtliche Regierungen von Übel sind und daß der Versuch, sie zu verbessern, reine Zeitverschwendung ist. (Henry Louis Mencken)
• Nur weil Du Dich nicht für Politik interessierst, heißt das noch lange nicht, daß die Politik sich nicht für Dich interessiert. (Perikles, um 430 vor unserer Zeit)
In der Welt las man, daß 52 Prozent aller US-amerikanischen Mädchen, die aus ‹christlichen› Gründen geschworen hatten, bis zur Ehe Jungfrau zu bleiben, schon ein Jahr später ihren Schwur verleugneten. Was aber lernen TIP-Leser daraus?
1. Mädchen lügen.
2. Mädchen, die sich zur Jungfräulichkeit verpflichten, lügen überwiegend.
3. Mädchen, die unter christlichem Einfluß stehen, lügen am meisten.
Auch meine Flugzeuglektüre Men’s Health erweiterte wieder mal meinen Horizont. Unter dem Motto ‹Gegessen wird, was unter dem Tisch krabbelt› hatte man jüngst eine Überraschung für alle Freunde der Nordost-Küche Thailands, die auch daheim nicht auf die geliebten gerösteten Krabbelviecher verzichten wollen. Die entdeckte man vor einigen Jahren bekanntlich wieder als Teil der Thai-Kultur – womit wir schon wieder mal mitten im abgeholzten nordöstlichen Urwald sind.
Leider bekommt man ja in europäischen Supermärkten nur selten knusprige Heuschrecken-Snacks, Käferlarven-Proteinbomben und sonstige gebratene sechsbeinige Hausfreunde wie in Bangkok an jeder Ecke in den Gegenden, in denen Nordost-Thais leben und arbeiten. Was also tun, wenn man Isan-Feinschmecker ist und einem nach dem Urlaub wegen der Entzugserscheinungen schon im Traum angesichts der wohlschmeckenden Krabbelviecher regelrecht das Wasser im Munde zusammenläuft?
Laut Men’s Health ist die Lösung für dieses Problem die nächste Zoohandlung oder ein Anglergeschäft. Dort sind nämlich alle Leckerbissen für Isan-Gourmets vorrätig:
Mehlwürmer: 10 Stück 25 Cent. Nährwert je 100 g: 23 g Protein, 13 g Fett, 210 Kalorien. Zubereitung: Mehlwürmer im Backofen bei 180 Grad rösten; anschließend in geschmolzene Vollmilchschokolade tauchen. Ein knackig süßer Partysnack, ideal für Anfänger.
Heuschrecken: 10 Stück 5 Euro. Nährwert je 100 g: 20,6 g Protein, 3,3 g Fett, 153 Kalorien. Zubereitung: Perfekt für Spieße sind vor allem die großen Wanderheuschrecken. Man entfernt Flügel und Beine, bepinselt die Grashüpfer mit Honig, spießt sie auf (wahrscheinlich von hinten durch die Brust ins Auge) und frittiert sie in Pflanzenöl, bis alles außen schön knusprig; innen aber zart und cremig ist.
Honigbienenlarven: 10 Stück 90 Cent. Nährwert je 100 g: 20,3 g Protein, 7,5 g Fett, 232 Kalorien. Zubereitung: Die weißen Babylarven schmecken süß-sauer besonders gut: Einfach anbraten und in süßsaure Soße dippen: Hmmm, einfach lecker! Sehr gut auch als Einlage in einer klaren Gemüsesuppe.
Grillen: 10 Stück 1,50 Euro. Nährwert je 100 g: 12,9 g Protein, 5,5 g Fett, 121,9 Kalorien. Zubereitung: Die Tierchen schmecken leicht süßlich und eignen sich deshalb für Schokoladeplätzchen. Geröstete Grillen ohne Beine und Flügel ersetzen dabei die Schokostückchen im Schokoteig und verpassen der Leckerei noch eine ordentliche Portion Ballaststoffe.
Raupen: 10 Stück 1,60 Euro. Nährwert je 100 g: 9,6 g Protein, 5,6 g Fett, 98 Kalorien. Zubereitung: Für den kleinen Hunger zwischendurch eignen sich besonders gut im Backofen geröstete Wachsmottenlarven, die man dann mit Studentenfutter mischt. Die nussigen Knusperkrabbler passen auch optimal zu Erdnüssen.
Das ganze war jetzt wirklich kein Men’s Health Scherz, sondern völlig ernst gemeint. Man müsse für den perfekten Geschmack nur darauf achten, daß die Insekten vorschriftsmäßig getötet werden – also nicht schlachten oder schächten oder gar lebend in den Wok, nein, nein: erst mal Einfrieren!
Wer der Sache nicht traut, dem sei gesagt, daß, ernährungstechnisch gesehen, nach Meinung meines langjährigen Urulogen (das sollte jetzt kein Witz sein!) nicht der geringste Unterschied darin besteht, ob man eine Ladung Nordseekrabbenschwänze oder die notorischen, in ihrer eigenen Exkrement-Brühe aufgezogenen Thai-Zuchtgarnelen einwirft – oder eben eine Portion Wanderheuschrecken, deren Hinterteile, wie man jedenfalls von entsprechenden Feinschmeckern hört, fast genau so schmecken sollen.
Aus meinem Papierkorb 4. Folge (März—Juli 2006)
Kaum ist die Sauregurkenzeit da, wird Europa von einer Sextourismusexpertenplage heimgesucht. In der Zeitung und im Fernsehen treiben Sie ihr Unwesen. Weibliche und männliche Formen sind schwer zu unterscheiden. Männchen haben aber eine dunklere Stimme, treten oft in schwarzen Roben auf und gucken fromm, während Weibchen auffallend oft wie ältere Schwestern von Claudia Roth oder Renate Schmidt aussehen und nicht immer fromm, dafür aber unheimlich betroffen gucken können.
Schon vor dem jüngsten Fußballchaos behaupteten diese Experten, daß, so wörtlich, ‹schätzungsweise 30 000 Frauen vor allem aus Ländern wie Moldawien und Bulgarien zusätzlich als Zwangsprostituierte nach Deutschland gebracht› würden. Die Zahl zergeht auf der Zunge: Das wären in etwa alle volljährigen Frauen im arbeitsfähigen Alter aus einer Stadt wie Hildesheim! Allesamt versklavt und verkauft… Und das ‹zusätzlich›! Ach Herrje! (‹Zusätzlich› zu WAS war übrigens nirgends zu lesen.)
Redakteure, die ihren bedauernswerten Lesern unter Ausschaltung des Großhirns diesen Unsinn andienen, schließen natürlich aus, daß auch nur eine dieser Frauen vielleicht aus rein professionellen Gründen, nämlich wegen der zu erwartenden Nachfrage enttäuschter Fußballfans, die weiblichen Trostes bedürfen, sehr gerne und höchst freiwillig einfach mal den Standort wechselt.
Worauf übrigens die haarsträubenden Schätzungen mit den ‹30 000 „zusätzlichen“ Sexsklaven› eigentlich beruhen (von den dazugehörigen 30 000 Sexsklavenhaltern, die ja wohl auch noch einreisen müßten, spricht bezeichnenderweise gleich gar keiner…), hat selbstverständlich kein Journalist mal nachgefragt. Medienwirksam durften dagegen sorgenvoll dreinblickende Kirchenvertreter (die gucken wegen der Kirchenaustritte aber auch sonst immer so) riesige ‹Plakate gegen Zwangsprostitution› in Großstädten entrollen. Genüßlich berichteten die Zeitungen Mitte Mai von Großrazzien in fast allen größeren Städten – selbstverständlich als Aufmacher mit 120 Zeilen plus Bild. Tausende Polizisten, Steuerfahndung (ach nee, darum also!…) und Ordnungsaufsicht durchkämmte die Straßen.
Mit zwei Sätzen tat man dagegen die Kritik von Doña Carmen ab, einem Verein, der sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt. Solche Razzien sind nach Meinung der Frauen nämlich nur ein weiterer Höhepunkt repressiver Politik: ‹Sie schaffen ein politisches Klima, in dem Prostitution mit Gewalt und Kriminalität assoziiert wird.› (Quelle: Die Welt).
Zum westlichen Umgang mit Prostitution in Südostasien schreibt Andreas Altmann:
Was so nervt, ist die Absicht des Gutmenschen, anderen Menschen […] den Opferlamm-Stempel aufzubrennen […]. Als ob eine 23jährige zu dumm wäre, um ‹nein› zu sagen. OK, wenn die Schöne von einer miesen Mafia eingefangen worden wäre, um anschaffen zu gehen, dann hätten wir eine andere Story. Aber die haben wir nicht. Wir haben ganz einfach eine junge Frau, die keine Lust auf eine Karriere als Kassiererin für 150 Euro Monatslohn verspürt. Und entschieden hat, als Hure ihr Brot zu verdienen. Das ist ihr verdammtes Recht. Ist Hurenleben ein würdeloses Leben? Ist 40 Jahre am Fließband stehen und drei Millionen Schrauben an 300 000 Backröhren festziehen würdevoller, geistreicher, menschlicher?
(Andreas Altmann: Der Preis der Leichtigkeit. Eine Reise durch Thailand, Kambodscha und Vietnam. München 2006.)
Altmann, der unter anderem in Geo und Mare, also in der ersten Liga, schreiben darf, ist überhaupt lesenswert. Herrlich, wie er zum Beispiel dem Oriental Hotel mal Saures gibt, das unsereinen ansonsten mit 40 Prozent Presserabatt auf die Rack Rate der billigsten Zimmer im Neubau plus Upgrade in den (tatsächlich schönen) Garden Wing ködert:
‹Durch Zufall gelingt mir ein Blick in die Somerset Maugham Suite. Der Engländer war kultiviert, überwältigend erfolgreich und schwul. Das muß der Grund sein, warum sein Zimmer mit goldrot gemusterten Tapeten und zwei Betten mit Baldachin möbliert wurde. Dazwischen Tischchen, Deckchen, Bildchen, nicht ganz unähnlich dem Empfangszimmer eines afghanischen Wanderpuffs. Nur Genies scheinen in einer solchen Umgebung imstande, drei Sätze Literatur zu formulieren.›
Ehrlich gesagt, hatte ich bisher keine Ahnung, wie das Empfangszimmer eines Afghanischen Wanderpuffs aussieht, aber jetzt glaube ich es mir gut vorstellen zu können…
Doch auch unsere Hotels im fernen Europa tun was für die Kundschaft! Im Grand Hyatt Berlin hat man jetzt spezielle Tee-Hausmischungen im Angebot. Ist das nicht toll? Der hauseigene ‹AM›-Tee soll zum Beispiel eine ‹natürliche›, zumindest aber ziemlich wilde Mischung aus Ginseng, Mate, Gingko und sonstigem Kräuterzeug sein, bei dem für wundergläubige Wallfahrer-Naturen eigentlich bloß noch Noni-Pulver fehlt. Kostenpunkt für dieses und andere heiß gebrühte Weihwässerchen: 10 Euro pro Tasse und pro vor Dummheit geradezu stinkender Nase.
Auch in London beherrscht man die Kunst, Geldsäcke zu melken: Das Edwardian Mayfair Hotel, das zur Radisson-Kette gehört, bietet laut Pressetext für 200 Pfund (um die 300 Euro) eine ‹regenerierende Jetlag-Massage› mit ‹Kleopatra-Bad›, was immer das sein soll. Ich bezweifle aber, daß die gute Kleopatra für die 200 Pfund tatsächlich mitmacht. Da bieten, mit Verlaub, Bangkoker Marmorpaläste mehr. Zumal schon ein Freiflug in die Engelsstadt ’rausspringt, wenn man in London nur zweimal auf die olle Kleopatra verzichtet.
Ein Glück, daß es die Bildzeitung gibt. Sonst wüßten wir gar nicht, daß laut Umfrage eines Meinungsforschungsinstitutes (die wollen zwischen den Wahlen ja auch nicht immer Däumchen drehen), immer mehr Deutsche, nämlich 11,1 Prozent, tätowiert sind. Und 6,5 Prozent ist ‹durchstochen›, gehört zur Fraktion der Nasen-, Bauchnabel und Schamlippenschmuckträger. Leider stellten die Meinungsforscher keinen Zusammenhang zu der ein paar Tage vorher abgedruckten Meldung her, daß wir immer blöder werden bzw., wie es politisch-korrekt hieß, ‹das Niveau unserer Bildung im Vergleich zu anderen Ländern generell immer weiter zurückfällt›.
Sind Sie ein Mann und wollen ohne Geldeinbuße früher in Rente? Tip: Machen Sie auf Transsexuell, lassen sich Ihr Geschlecht umwandeln (zahlt die Krankenkasse, wenn Sie nach entsprechender Vorbereitung einen gewitzten Psychologen auftreiben, der das Gutachten schreibt) und gehen Sie dann drei bis fünf Jahre früher in Rente, weil Sie ja schließlich eine Frau sind. Doch, genau so funktioniert das: So urteilte jetzt nämlich in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Er gab damit der Klage eines umgepolten 64jährigen Engländers recht, das die Sache einfach mal konsequent durchzog. Durch solche Tollhaus-Konstruktionen kommt man erst drauf, wie weit neben der Mütze unser politisch-korrektes Europa inzwischen läuft. Wann zieht eigentlich endlich mal ein alleinerziehender Vater eine Diskriminierungsklage wegen der 5 Jahre Mehrarbeit konsequent bis Luxemburg durch?
Wenn Sie ein Zimmer verlassen, ohne dort brennende Kerzen zu löschen, worauf die halbe Wohnung niederbrennt, zahlt die Hausratsversicherung wegen grober Fahrlässigkeit keinen müden Heller. Logisch. Ein Richter am Düsseldorfer Oberlandesgericht hatte allerdings ein Einsehen mit einem Pärchen, dem genau das mit den Kerzen passierte, weil man den Raum Richtung Schlafzimmer verließ und sich dort einem intensivem Beischlaf widmete. Die halbe Wohnungseinrichtung brannte ab. Vergeßlichkeit infolge körperlicher Reize des Partners sei nicht grobe Fahrlässigkeit, sondern ein entschuldbares Fehlverhalten, meinte der Richter (Quelle: http://www.zyklop.de/inkasso_newsletter/restschuldbefreiung-nldez05.html Punkt 4). Diesen Satz, der vor dem Ruin retten kann kann, sollte man auch für andere Gelegenheiten unbedingt auswendig lernen.
Laut Focus wird sich das Problem der Überbevölkerung in naher Zukunft von selbst lösen. Was Pille und Kondom nicht können, schaffen nämlich Verstädterung und Fernsehen: ‹In der Stadt sind Kinder Luxus.› Überall in der dritten Welt, zum Beispiel in Brasilien und Thailand, sank analog zur Verbreitung des Fernsehens die Geburtenrate. Daß die Weltbevölkerung derzeit immer noch wächst, liegt laut Demograph Philip Longman lediglich am Rückgang der Kindersterblichkeit. Insgesamt würde die Geburtenrate aber weiter sinken. Damit ist wohl hinlänglich bewiesen, daß Channel 7 und RTL II die großen Probleme dieser Welt tatsächlich fest im Griff haben.
Ein Trost für alle Herren, deren Haus im abgeholzten nordöstlichen Urwald zwar nicht umsonst, aber doch vergeblich gebaut wurde: Unser Zaunkönig umwirbt paarungsbereite Weibchen nicht nur mit einem, sondern mit bis zu zwölf Häu… äh, Verzeihung: Nestern, die er ab März zu bauen beginnt. Das Weibchen sucht sich dann im April das schönste aus, worauf der ersehnten Begattung nichts mehr im Wege steht. Zaunkönigs-Weibchen könnten insofern von hiesigen Bar-Weibchen einiges lernen: Jene lassen sich ja nicht selten gleich Nester von mehreren ‹Zaunkönigen› bauen, was im Prinzip auf’s Gleiche ’rauskommt, aber den Vorteil hat, daß die einzelnen Männchen ihre ganze Kraft bzw. Kohle jeweils nur in ein Bauprojekt stecken müssen.
Aus meinem Papierkorb 3. Folge (August 2005—Februar 2006)
Das Neueste aus meiner Flugzeuglektüre Men’s Health, dem Blatt, das jederMann wegen der tollen Tips lobt, wie man Bauchmuskeln kriegt, das aber in Wirklichkeit natürlich wegen der tollen Tips gekauft wird, wie man Frauen auf’s Kreuz legt: Nur drei von hundert erwachsenen Männern besitzen kein Fernsehgerät. Dafür schlafen 30 Prozent der Männer regelmäßig vor der Glotze ein – und wachen natürlich sofort wieder auf, wenn einer den Kasten mal abstellt. Von den restlichen 60 Prozent zankt sich die Hälfte wiederum regelmäßig mit der Partnerin über das Programm. Der Rest, vermute ich mal, sieht keinen Fußball.
Letzteres steht zwar nicht in Men’s Health, geht aber aus dem Zusammenhang hervor: Im gleichen Blatt kann man nämlich lesen, daß 36 Prozent aller Frauen unter anderem deshalb alleine leben, weil sie das blanke Entsetzen packt, wenn sie sich einen Ehemann vorstellen, der sich auf dem Sofa beim Bier die Sportsendungen reinzieht.
Immerhin hängen erwachsene Deutsche inzwischen nicht weniger als als 210 Minuten täglich (jeden einzelnen Tag ihres Lebens) vor der Glotze. 44 Prozent aller Bewohner des ehemaligen Landes der Dichter und Denker können sich ein Leben ohne Fernsehen überhaupt nicht mehr vorstellen.
Kein Wunder daß wir immer dümmer werden. Durch Langzeitstudien ist bekannt, daß das Bildungsniveau von Vielglotzern (drei Stunden täglich und mehr) einfach unter aller Kanone ist. Bei einer Untersuchung in Neuseeland über 30 Jahre hinweg, über die vor einiger Zeit u. a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, fand man zum Beispiel heraus, daß es so gut wie keine Universitätsabsolventen unter Leuten gibt, die schon als Jugendliche drei Stunden täglich und mehr fernglotzten.
Greenpeace hat, wie man es seit einiger Zeit mit einigem Tamtam verkündet, seine weltweite Strategie geändert. Nicht mehr nur Kämpfer für Natur und Umwelt will man sein, sondern ab sofort auch ‹Helfer der Verbraucher›. Was bedeutet das eigentlich künftig für Greenpeace Thailand? Meine Lieblingsidee: Falls Foodland in Bangkok Leberwurst von Säuen verkauft, die hierzulande bekanntlich bis zu zehn Lagen hoch lebend und nackt in glühender Sonne bewegungsunfähig in Käfigen gestapelt im Groß- oder Kleinlaster herumgekarrt werden (manchmal sogar ohne Käfig gefesselt und aufeinandergestapelt), bis sie, halb verdurstet, schwer sonnenverbrannt und vor Schmerz und Panik vollgekotet und -gepißt – nach stundenlanger, ja in Einzelfällen tagelanger Qual (man sehe sich dazu mal auf den Autofähren nach Samui um) endlich, endlich getötet werden, ketten sich Greenpeace-Aktivisten künftig in der Sukumwit Soi 5 oder auf der Patpong II vor den Foodland-Supermärkten an und machen auf die gequälte Kreatur aufmerksam. – Oder was erwarten Sie von den Menschen in einem friedvoll-buddhistischen Land, in dem – nun ja, jedenfalls theoretisch… – jedermann sogar seinen Schritt ändert, sobald er auch nur eine Ameise zertreten würde? Zumindest könnte Greenpeace Thailand angesichts dieser elenden Tierquälerei doch wenigstens mal ein paar Ladenregale besetzen.
Habe ich Ihnen den Appetit auf Leberwurst oder kâo pád mu:? (Gebratener Reis mit Schweinefleisch) verdorben? Pardon: ich wollte nur daran erinnern, daß Menschen Fleischfresser sind und jeder Mund ein Schlachthaus ist. Das hat sich in der Evolution als positiv für die Weitergabe unserer Gene erwiesen. Aber wenn Tiere derart leiden müssen, wie vielerorts in Thailand, bevor die Einzelteile dieser Mitgeschöpfe von uns endlich verspeist werden, vergeht mir (zumindest in weniger hungrigen, etwas nachdenklichen Momenten) wirklich zunehmend der Appetit auf Fleisch.
Nicht nur das Essen von Tieren, sondern auch das Morden von Artgenossen gehört indes zur menschlichen, genauer: männlichen Natur. Es entwickelte sich in der Evolution aus dem Streit um den Sexpartner. 87 Prozent aller Morde werden von Männern begangen. Das fand man an der Universität von Texas in Austin in einer Studie an 429 729 Mordfällen aus aller Welt heraus (Quelle: Welt am Sonntag). Evolutionspsychologe David Buss zweifelt deshalb die These an, daß Mord krankhaft sei und außerhalb unserer Kultur stünde. Nach dem Studium der Mord-Hintergründe kam er vielmehr zu dem Schluß, daß nahezu alle Menschen unter gewissen Umständen bereit seien, zu morden; Männer ‹natürlich› insbesondere dann, wenn es um den Sexpartner geht.
Bei 13 670 untersuchten Fällen, in denen Männer ihre Frauen umbrachten, war das häufigste Motiv (vermutete) Untreue. Obwohl Männer nicht mehr im Bärenfell mit Keule, sondern im Anzug mit Krawatte und auf rahmengenähten Schuhen ’rumrennen, hat Sex also immer noch vor allem mit Macht und Besitz zu tun. Mehr dazu in dem Buch von David Buss: Der Mörder von nebenan. Warum der Verstand zum Töten geschaffen wurde. Seien Sie darauf gefaßt, daß das Buch ihr politisch-korrektes Weltbild (falls vorhanden) ins Wanken bringt.
Die Wahrscheinlichkeit, im Lotto sechs Richtige zu tippen, beträgt 1 : 13 983 816. Viermal wahrscheinlicher ist es, irgendwann im Leben vom Blitz getroffen zu werden. Dennoch sind die Zeitungen vor allem zu den Sauregurkenzeiten voll mit Pressemeldungen mit phänomenalen Geschichten von Lottogewinnern. Woher kommen eigentlich diese Meldungen, die man oft gleichzeitig zum Beispiel mit den allsommerlichen ‹Ungeheuer von Loch Ness›-Meldungen liest? Immerhin ist es den Lotterieverwaltungen gesetzlich verboten, irgendwelche Namen von Gewinnern bekanntzugeben. Zudem hat man genau darauf zu achten, daß Gewinner auch nicht indirekt bekannt werden. Zwar sind einige Lottogewinner selbst so blöd und rennen zur Bildzeitung, bevor sie auch nur den ersten Ferrari kaufen, aber sogar die namenlose vage Beschreibung eines echten ‹43jährigen Familienvaters aus Niedersachsen, der seit dem 18. Jahr Lotto spielt› durch die Lotterieverwaltung für die Presse wäre illegal.
Woher kommen dann die vielen, scheinbar konkreten Lotto-Gewinnmeldungen? Ganz einfach: sie sind alle frei erfunden. Die Werbefritzen der Lottogesellschaften wollen nun mal nicht immer bloß mit der Gewinnsumme im Jackpot werben. Kürzlich sprach ich einen Lotto-PR-Lyriker auf dieses unter Journalisten schon immer bekannte Spielchen mit den Sauregurkenzeit-Meldungen an. Die Sache mit den Gewinnmeldungen geht demnach so: Im Prinzip gibt es zwei Zielgruppen für diese Meldungen: Die einen (1) spielen sowieso Lotto und sollen bei der Stange gehalten werden; die anderen (2) spielen kein Lotto (oder selten), sollen aber möglichst davon überzeugt werden, ihr Geld künftig der Lottogesellschaft Rachen zu schmeißen.
Marketing-logisch gibt es also nur zwei immer variierte Standard-Meldungen, die stets auf jene beiden Zielgruppen zugeschnitten sind: Der Familienvater (1) – oder das alte Mütterchen bzw. was sonst gerade wieder mal dran ist –, der oder die seit Jahrzehnten vergeblich Lotto spielt, und das alles schon fast aufgeben wollte, aber dann doch endlich was gewann. Außerdem (2) der Gelegenheits- oder Erstzocker, der ziemlich schnell gewinnt. Eine typische Variante der zuletzt genannten Spezies ist die Ehefrau, die gegen das Zocken ist, aber für ihren Mann den daheim vergessenen Lottoschein in letzter Minute doch noch abgegeben hatte. – Den Rest lesen Sie in Ihrem Lokalblatt, falls Sie vergessen, das Abo in der Sauregurkenzeit zu unterbrechen.
Alle diese Dichtungen seien ‹typischen Lottogewinnen nachempfunden›, wie mir der Werbefritze versicherte. Und dann setzte er seiner Schilderung die Krone auf: Derartige Sommer- und Winterlochmeldungen seien deshalb ja immerhin ‹nicht ganz gelogen›.
Ich finde, daß Verleger, deren Redakteure derart öden, erlogenen und erstunkenen Lesemüll ins Blatt heben dürfen, zum Teufel gejagt gehören. Leider ist es bequemer, eine in 10 Sekunden von irgendeinem Irren erzählte Ufo-Geschichte (oder eben die kostenlose Lotto-Pressemeldung) ins Blatt zu setzen, als nach einem halben Tag Recherche zwei Fachleute aufzutreiben, die nach drei Stunden Nachdenken zehn Minuten nach Redaktionsschluß endlich vier Argumente dafür liefern, was für ein Quatsch morgen leider doch im Blatt steht.
Soeben las ich die posthum gedruckten Aphorismen von Ludwig Friedrich Barthel (1898–1962: Am Fenster der Welt. Nur bei Zenos Verlag 2@zenos-verlag,de – nicht im Buchhandel erhältlich). Abgesehen davon, daß dieser Dichter noch richtig gutes Deutsch schrieb – er hatte auch originelle Gedanken:
• Am gefährlichsten sind Redner, die glauben, was sie lügen.
• Die noch nicht durchschauten Irrtümer laufen unter dem Stichwort Erkenntnis.
• Vorsicht im Umgang mit Köpfen, in denen nicht viel steckt – sie wissen das wenige zu schätzen.
• Die Stärke der Propheten ist ihre Blindheit.
• Das Publikum hat einen untrüglichen Instinkt für Qualität – schon von weitem geht es ihr aus dem Wege.
Aus meinem Papierkorb 2. Folge (April—Juli 2005)
Kollege Dietmar Bittrich [der mit der fiesen Kolumne ‹Der garstige Gast› im Reiseteil der Welt am Sonntag] hat jahrelang bei anderen Leuten zusammenklauen lassen und die Sammlung jetzt auf eigene Rechnung gedruckt: Böse Sprüche für Sie und Ihn (Deutscher Taschenbuch Verlag). Viele paßten in die TIP-Edition Wa(h)re Liebe:
Ein Mann hält sich schon für einen Frauenkenner, wenn er jeder Frau gegenüber denselben Fehler macht. (Hillary Clinton)
Bigamie ist eine Frau zuviel. Monogamie dasselbe. (Oscar Wilde)
Frauen werden Männern erst ebenbürtig, wenn sie mit Glatze und Bierbauch die Straße runterlaufen und immer noch denken, sie seien schön. (Nina Hagen)
Erst wenn man sieht, wen manche Frauen heiraten, kann man ermessen, wie sehr sie das Geldverdienen hassen. (Jeff Goldblum)
Der Frau seines Lebens begegnet man nur einmal, aber das kann schon einmal zuviel sein. (Gilbert Keith Chesterton)
Kein kluger Mann widerspricht einer Frau. Er wartet, bis sie es selbst tut. (Ernst Lubitsch)
Sobald ein Mann anfängt, sich lächerlich zu benehmen, weißt Du: er meint es ernst (Franziska Reventlow)
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. (Friedrich Schiller)
Ein Mann mit großem Bankkonto kann gar nicht häßlich sein. (Shirley MacLaine)
Es ist Unsinn, daß Männer dauernd an Sex denken. Nur wenn sie denken, denken sie an Sex. (Marilyn Monroe)
Man soll nur schöne Frauen heiraten. Sonst hat man keine Aussicht, sie wieder loszuwerden. (Rod Steward)
Irren mag männlich sein, aber wer Katastophen erleben will, braucht eine Frau. (Curd Jürgens)
Frauen verstehen nie, warum Männer Spielzeug lieben. Dabei würden Männer überhaupt kein Spielzeug brauchen, wenn Frauen einen An- und Aus-Schalter hätten. (Eddie Irvine)
Männer wollen nur guten Sex, gutes Essen und in Ruhe gelassen zu werden. (Alfred Hitchcock)
Bisher hieß es in Frauenzeitschriften oft, daß Frau einen Orgasmus ruhig mal vortäuschen könne; schließlich komme es für Alpha-Männchen gemäß der alten ‹Sex-ist-Macht-Regel› im Zweifel ja nur darauf an, daß Mann sich bestätigt fühlt. Jetzt rudern die Kolleginnen von Glamour wieder zurück: ‹Wenn wir künstlich stöhnen, weiß er ja nie, wie wir es wirklich wollen und fährt weiter seine olle Standartnummer›, erkannten die Expertinnen im Praxistest. Nur wenn der Teppich gar zu arg im Rücken scheuere oder in fünf Minuten die geliebte Fernsehserie beginne, sei das gute alte Orgasmus-Vortäuschen oft immer noch angesagt – bzw. wohl die letzte Rettung.
In derselben Zeitschrift gibt Frau gleich noch Tips für den guten Eindruck außerhalb des Schlafzimmers. Ratschlag der Redaktion: ‹Beschäftigt aussehen ist nie falsch.› In die Praxis umgesetzt: ‹Sie können für den Chef zum Beispiel Rauchpausen als Brainstorming tarnen (Papier und Stift nicht vergessen!)›. Zu den Glamour-Meldungen fällt mir zwar kein Kommentar ein, aber vorenthalten wollte ich sie Ihnen auch nicht.
Als hätte es nach Neil Postman (‹Das Verschwinden der Kindheit›) und Manfred Spitzer (‹Vorsicht Bildschirm›) weiterer Beweise bedurft, fragte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jetzt auf fast einer Seite rhetorisch: Macht Fernsehen dumm? Und gibt gleich die Antwort: Klipp und klar: Ja. Das gilt jetzt durch verschiedene Langzeitstudien nämlich als bewiesen. Bei der wohl interessantesten Untersuchung wurden in der neuseeländischen Stadt Dunedin über drei Jahrzehnte hinweg sämtliche 1972/73 innerhalb von 12 Monaten geborene 1 037 Menschen bis heute wissenschaftlich begleitet – vom Millionärstöchterchen bis zum unehelichen Maori-Kind. Jedes Jahr wurden die Eltern befragt; ab 13 Jahren gaben die Sprößlinge selbst Auskunft.
Die Ergebnisse dieser und ähnlicher Studien aus anderen Teilen der Welt stimmen nahtlos überein: Wer zwischen fünf und fünfzehn Jahren viel fernsieht, erreicht als Erwachsener ein deutlich geringeres Bildungsniveau als Menschen, die wenig fernsehen. Konkret: So gut wie kein Vielglotzer (drei Stunden täglich und mehr) schaffte zum Beispiel später einen Universitätsabschluß. Entgegen einem weitverbreiteten Glauben spielte dabei auch die soziale Herkunft keine Rolle: Dauerglotzer aus Professorenfamilien werden später genauso blöd wie arme Schlucker, wenn beide schon als Kind mit dem Schnuller vor der Kiste hocken. Es ist allerdings eine Tatsache, daß in den unteren Schichten aller Länder besonders viel geguckt wird.
Hier der Schluß des Artikels, natürlich aus dem Zusammenhang gerissen, aber ungekürzt: ‹Fernsehen macht dumm, vor allem die Kinder sozial schwacher Schichten. Es wird an der Zeit, daß wir über diesen sozialen Sprengstoff nachdenken. Wir sind es unseren Kindern schuldig.›
Das alles deckt sich ziemlich mit unseren Beobachtungen an der Elternfront: Als wir vor etwa zwölf Jahren eines Abends aus Erziehungsgründen unser Fernsehgerät vom Wohnzimmer auf die Straße stellten, wo es am nächsten Morgen natürlich nicht mehr war, maulte man einen Tag lang ganz schlimm – bevor Jirapha, Namthip, Suphap und Bird nach kurzer Zeit zwangsläufig andere Hobbys fanden: Badminton, Fußball, Musik… Gelegentlich suchte man allerdings, zugegeben, auch Freunde oder Nachbarn heim, wenn scheinbar mal was ganz Unverzichtbares in der Glotze lief – was uns dann jedoch nicht mehr nervte.
Das alleine bot allerdings wohl nicht genug Sanuk: Heute spielen alle unsere vier Lieblings-Nervensägen mindestens jeweils ein Musikinstrument und sie lesen garantiert auch alle mehr als die berühmten statistischen acht Zeilen, die Thais angeblich durchschnittlich jeden Tag aufnehmen. Das Kopfschütteln der Nachbarn verschwand übrigens auch recht schnell, nachdem die holde Gattin durchblicken ließ, daß stinkreiche europäische Millionäre und Adelige ohne mit der Wimper zu zucken irrwitzige Gebühren für Internate zahlen, in denen es für ihre Sprößlinge garantiert keine Mobiltelephone und fast kein Fernsehen gibt, ja wo sogar Markenklamotten schlicht verboten sind…
Vor Jahren schrieb ich in einem Kommentar, daß einer, der mit 17 Jahren kein Kommunist ist, kein Herz hat – und keinen Verstand, wenn er’s mit 50 immer noch ist. Nach meiner bescheidenen Lebenserfahrung verläuft auch der Weg vom Optimisten zum Pessimisten ganz ähnlich. Das hat aber nun Verona Feldbusch viel griffiger und einleuchtender formuliert, als ich es je könnte: Optimist ist ein Ehemann solange, wie er nicht informiert ist. [Quelle: Hatte auch Kollege Bittrich zuerst geklaut und für sich verbraten.]
Cees Nooteboom, der in den 1950ern mit Das Paradies ist nebenan einen der Lieblingsromane meines Kollegen Klaus Grüner schrieb, hat zu diesem Thema jetzt, im Seniorenalter, auch noch einmal einen Kommentar abgegeben: Paradies verloren heißt sein neues Buch, das ich zwar noch nicht gelesen, aber mir sofort bestellt habe. Laut Börsenblatt des deutschen Buchhandels findet sich eine Stelle darin, die mich besonders neugierig macht: Für Nooteboom ist der Mann als solcher nämlich für die Literatur längst verloren: ‹Mich interessiert immer, was andere Leute lesen, aber meistens sind Leute Frauen, denn Männer lesen nicht mehr.›
Wie bitte – Sie sind Mann und lesen sehr wohl? Gemach: Bücher für Steuertricks und Schraubarbeiten am Auto, der TIP und neue Kniffe, wie man Frauen aufs Kreuz legt, zählen nicht. Es geht um Literatur! Und da sieht’s bei Männern laut Statistik (steht auch in dem erwähnten Buchhändler-Fachblatt) wirklich zappenduster aus: Es dauert eben zu lange, um einem normalen männlichen Hirn die Schönheit eines Binnenreims zu erläutern. Man müßte das vielleicht mal anders angehen, etwa mit folgendem Werbespruch: ‹Frauen mögen lesende Männer.› Erstens stimmt das oft und zweitens muß man unsereinen doch bekanntlich immer nur an der schwachen Stelle in der Hose packen. Die Erosfalle wirkt stets am besten.
Jeder, der das Wahlverhalten der Thais kritisiert, die sich – vor allem Upcountry – ihre Stimmen schon immer gerne abkaufen ließen, sollte sich mal die schwachsinnige Wahlwerbung in Deutschland angucken: ‹Mach’ mit!› lockt da derzeit etwa eine Partei der Duzbrüder und Krawattenmuffel: ‹Kindertagesplätze für alle!› … ‹Alternative Energien für alle!› usw. usf. ‹Mach mit, mach mit…› Natürlich machen wir alle mit, wenn wir was kriegen! Sie etwa nicht? Die anderen Parteien saugen sich ähnlichen Unsinn für uns aus den Fingern, ohne natürlich zu sagen, wer am Schluß die Zeche zahlt.
Das bewährte Thai-System, sich schon vor der Wahl von mittelmäßigen bis schlechten Politikern bezahlen zu lassen, ist irgendwie bestechend. Jedenfalls scheint es mir viel intelligenter zu sein, als unsere Gewohnheit, uns für die versprochene Bescherung durch mittelmäßige bis schlechte Politiker erst mal bis nach der Wahl vertrösten zu lassen, wo doch die Kohle erfahrungsgemäß spätestens nach dem ersten Kassensturz immer plötzlich weg ist. Wurde nicht schon häufig genug bewiesen, daß ein Spatz mit 100 oder 200 Baht, vor der Wahl in Buriram oder Lœi in die Hand gegeben, mehr wert sein können als die für nach der Wahl versprochenen Tauben auf dem Dach mit ‹Kindertagesplätzen für alle› in Hoyerswerda oder Würzburg?
Ich kann mich gut daran erinnern, wie uns 1969, in der sechsten Klasse, unser Lehrer Helmut Binder in Wirtschaftskunde die deutsche Bevölkerungspyramide erklärt hat. Die stand schon damals Kopf – und genau so in allen Schulbüchern von der Hauptschule bis zum Gymnasium. Zumindest jeder Vor-PISA-Schüler also, der die Lehranstalt nicht als kompletter Idiot verließ, müßte eigentlich wissen, was in diesem Lande los ist und was noch kommen könnte – oder besser: nicht kommt. Und sich zum Beispiel fragen, woher eigentlich bei einem fast kinderlosen Volk von Rentnern, die längst alles gekauft haben, was sie brauchen, eigentlich noch Investitionen herkommen sollen, die Wachstum und damit Arbeitsplätze schaffen? Investitionen für was, bitteschön? Häuser, Wohnungen: haben wir schon. Autos: zwei in jeder Familie… Wo haben wir eigentlich noch Wachstumspotential? Etwa Bio-Kaviar und Austern beim Luxusfranzosen in Berlin für 99 Euro (plus üppigem Trinkgeld) futtern statt ein großartiges simples Lachsfilet oder gebratenen Waller mit wunderbaren Butterkartoffeln für 12,80 Euro im Gasthaus Zum Goldenen Anker in Segnitz am Main zu bestellen?
Schnell noch ein Füller aus dem Bittrich’schen Diebesgut:
Eine Frau hat immer das letzte Wort in einem Streit. Wenn ein Mann dann noch etwas sagt, ist das der Beginn eines neuen Streits. (Jean-Paul Belmondo)
Aus meinem Papierkorb 1. Folge (Oktober 2004—März 2005)
Was ist die gefährlichste Beschäftigung, die Sie ausüben können? TIP-Herausgeberin? Umweltaktivist in Thailand? … Von wegen: Die meisten Todesfälle ereignen sich nach der Statistik des Britischen Versicherers Churchill Insurance beim Fensterputzen. Die nächstgefährlichen Tätigkeiten – in dieser Reihenfolge: Soldat. Feuerwehrmann, Hochseefischer, Pilot, Polizist, Dachdecker und Berufskraftfahrer. Die sichersten: Pfarrer, Bankmanager, Apotheker und Büroangestellte. Die inaktiven Posten in Thailands Beamtenwesen wurden bei der Studie nicht berücksichtigt.
Eine Kolumne meines Berufskollegen Franz Josef Wagner in der Welt am Sonntag liest sich so:
Reinhard Hesse gestorben … Redenschreiber des Kanzlers und Freund … Vor einem halben Jahr betrank ich mich mit ihm noch in der ‹Paris Bar›, Kantstraße, Berlin. … Regierungssprecher Thomas Steg … mit seiner Pfeife dabei. … Am Donnerstag … mit einem anderen Freund … bis in den Morgen trank. … Dieser Freund läßt sich gerade scheiden … Ich bin traurig, meinem toten Freund Hesse und meinem geschiedenen Freund gegenüber. … Ich bin traurig über die verlorene Zeit.
Entsetzlich, wieviel produktive Zeit man mit dem Lesen schwachsinniger Kolumnen von Schluckspechten wie Wagner verlieren kann. Dabei könnte man journalistische Pfeifen seiner Art doch viel produktiver gemäß ihrer Fachkenntnisse verwenden, indem man sie als Animatoren hinter die Theke der noch zu gründenden Bar Zum Sabberkopf nach Pattaya schickt.
Was am Patong Strand in Phuket und in Rimini schon immer alle wußten, ist jetzt endlich vom Statistischen Bundesamt bestätigt worden: Heiraten macht Deutsche Fett! Zwei Drittel aller verheirateten deutschen Michel und 44 % aller verheirateten deutschen Damen haben Übergewicht. Unverheiratete Deutsche dagegen treiben mehr Sport und achten mehr auf ihre Ernährung: Sie strengen sich an. Aber wozu? Damit sie bald auch den richtigen Partner finden und dann bei Tisch richtig reinhauen und in ihrer Freizeit faul auf dem Wohnzimmersofa liegen können?
Dafür macht Heiraten aber auch gesund! Das haben natürlich nicht Deutsche herausgefunden, sondern die sowieso immer viel positiver denkenden Amis. Das liegt bestimmt daran, daß die deutsche Elite seit Jahrhunderten genau dorthin ausgewandert ist, meist unfreiwillig. Wir zurückgebliebenen Nörgler und Ewiggestrige sollten uns da wirklich mal ein Beispiel dran nehmen. Charlotte Schoenborn (sehen Sie!) vom US-Zentrum für Gesundheitsstatistik in Washington D. C. fand den Beweis in einer Studie mit 130 000 Teilnehmern: Unter den Verheirateten gab es nur zehn Prozent Kranke; unter den Ledigen dagegen doppelt soviele. Die Ehe ist gesund, weil sich die Partner laut Studie sozial und psychologisch motivieren und zu einem gesundheitsbewußten Verhalten ermutigen. Verheiratete leiden generell weniger an Rückenschmerzen, rauchen und trinken weniger als Ledige. Im Gegensatz zu dem was viele mit Thailänderinnen verratete Deutsche glauben, haben sie auch weniger Kopfweh. Dennoch bestätigen die Forscher in Waschington die deutsche Studie: Übergewicht ist bei verheirateten Männern sehr verbreitet.
Laut Welt am Sonntag ist Noni, das modische Vitalgetränk aus der Südsee, schon wieder out: ‹Das einzige besondere an diesem Zeug war der Preis›, schrieb man im Nachruf. Bis 30 Euro kostete die Originalflasche aus Tahiti. Jetzt brechen die Umsätze ein. Einige Leute hatten sich allerdings schon längst ihre goldenen Nasen verdient, als einige kluge Köpfe zur allgemeinen Überraschung dahinterkamen, daß da hauptsächlich Wasser drin ist: Ist ja erstaunlich! Jetzt heißt es, flugs eine neue Mode zu finden, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Was war eigentlich schon länger nicht mehr dran: Aerobic, Rotwein, Frisbee, Aloe vera, Grüner Tee, Radfahren, Austern…? Tip: Wie wär’s mit Papaya, das billigste Obst überhaupt, das man sogar noch verwenden kann, wenn es schon teilweise vergammelt? Da könnte man doch gaaaaanz kompliziert einen hochgeheimen Extrakt draus brauen, wie ihn die – sagen wir mal – kerngesunden Ureinwohner von Khlong Toei seit alters her sogar dann zu sich nehmen, wenn sie keine Zähne mehr haben. Geschätzter Preis in Deutschland: 20 Euro; bei Aldi und Lidl nur 12,99. Ich melde hiermit schon mal Urheberrecht auf die Idee an…
Gesetzliche deutsche Krankenkassen müssen Männern, die nach ausländischem Recht legal mit mehreren Fauen verheiratet sind, definitiv für sämtliche Ehefrauen und deren Kinder die Krankheitskosten zahlen. Laut Spiegel hat das rot-grüne Gesundheitsministerium jetzt endgültig eine entsprechende Stellungnahme in einem Einzelfall für den Petitionsausschuß abgegeben. Da sieht man wieder, wie recht doch Thaksin, Mahathir & Co. mit ihrem Asian Way haben: Wären die Thailänder nämlich nicht so voreilig gewesen, auf westlichen Druck 1934 die Vielweiberei abzuschaffen, hätte unsereins jetzt einen sehr guten Grund, die thailändische Staatsbürgerschaft anzustreben.
Der Orgasmus war früher besser! US-Forscher verglichen 1978 gemessene weibliche Orgasmuskurven mit heutigen Ergebnissen. Ergebnis laut Frauenzeitschrift Glamour: Damals lag der Wert auf der Hirnstrom-Erregungsskala bei 190, während er heute im Schnitt nur noch 170 beträgt. Und wer oder was hat Schuld? Die allgemeine Reizüberflutung! Klartext: Ständige Ablenkung (Musikberieselung, Glotze, Internet, Mobiltelephon…) macht schlechten Sex. Was aber lernen wir als TIP-Leser daraus? Suchen Sie sich als Mann am besten eine fernsehabstinente Freundin ohne Mobiltelephon (vergessen Sie auf jeden Fall schon mal Nordostthailand und alle Bars). Als Frau könnten Sie ja mal einen nach Wald riechenden Burschen vom Lande vernaschen, der Fußball und Ferrari nicht kennt. Die müßten ja wohl ebenso häufig zu finden sein wie die genannten Damen.
Alle reden von Albert Einstein im Einstein-Jahr. Das ist auch einer von der Sorte, die wir mal mit fiesen Methoden verscheucht haben und die uns heute so dringend fehlen. Was mich an dem Mann schon immer faszinierte, ist nicht nur seine wissenschaftliche Leistung. Er war auch einer von denen, die moralische Grundsätze so provozierend einfach formulieren konnten, daß sie wirklich jeder verstand: ‹Wer klar denkt, spricht klar.› Aber auch einige Sprüche des ganz privaten Einstein sind nicht ohne (Quelle: Jürgen Neffe: Einstein. Eine Biographie. Reinbek: Rowohlt 2004):
• ‹Ich halte Diät: Rauchen wie ein Schlot. Arbeiten wie ein Roß, Essen ohne Überlegung.›
• ‹Sie werden wohl wissen, daß die meisten Männer nicht monogam veranlagt sind. Die Ehe ist bestimmt von einem phantasielosen Schwein erfunden worden.›
• ‹Wir Männer sind jämmerliche, unselbstständige Geschöpfe.›
• Auf die Frage, warum er in Amerika mal als Bolschewist galt: ‹Vielleicht weil ich nicht allen Seich für Milch und Honig ansehe.› Und: ‹Die ausgestreckte Zunge gibt meine politischen Ansichten wieder.›
• Auf die Frage, ob er der Nachwelt etwas mitzuteilen habe: ‹Wenn ihr nicht vernünftiger sein werdet, als wir es gewesen sind, so soll euch der Teufel holen.›
• Auf die Frage, wie er den Abend verbracht hätte, als er die berühmte Formel E = mc2 fand: ‹Total besoffen unterm Tisch.›
Die Fortsetzung dieser Kolumne finden Sie hier: http://www.thailandtip.net/aus-meinem-papierkorb-neue-fundstuecke/
© 2004-2009 Hans Michael Hensel