Der Fahrplan des Premierministers führt überall hin, nur nicht zur Wahrheit – Ein Kommentar

Ich möchte sogar noch ein bißchen weiter gehen und sagen, daß meiner Meinung nach eher Honduras die Fußball-Weltmeisterschaft gewinnen dürfte, bevor Abhisits Fahrplan auch nur den Hauch einer Versöhnung bewirken wird.

Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß mein Standpunkt, der Premierminister handele unaufrichtig im Hinblick auf eine echte Versöhnung, weshalb ich das Ganze auch als Premierminister Abhisits „Fahrplan nach Nirgendwo“ bezeichnet habe, mir nun in meinem E-Mail-Eingang Unmengen von E-Mails voller Haß bescheren dürfte.

Erlauben Sie mir, zunächst einige Knackpunkte aufzuzeigen, die mich am Fahrplan des Premierministers stören.

Erstens bin ich der Überzeugung, daß Premierminister Abhisit und seine heißgeliebte Demokratische Partei in Wirklichkeit ein Teil des Problems sind, das einer Versöhnung in der Art, wie sie zur Heilung von Thailands klaffender Wunde benötigt wird, im Wege steht. Somit können diese niemals die einzig mögliche Lösung verkörpern.

Abhisit ist der Öffentlichkeit immer noch eine befriedigende Erklärung schuldig über die Rolle, die die Armee angeblich dabei gespielt hat, ihm den Weg zur Macht zu ebnen. Diese Regierung hat jede Menge Ausschüsse angeordnet und ins Leben gerufen, die alles mögliche von den Ausgaben der Regierung über Schulungsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt bis hin zu unerwünschten Ausbauten von Straßen untersuchen sollten, aber nicht einen einzigen Ausschuß gebildet, der sich offen und nachvollziehbar mit den wahren Hintergründen des Putsches von 2006 befaßt hätte.

Wie also kann ein Premierminister, dessen Legitimität in Frage gestellt wird und den die Mehrzahl der Rothemden-Demonstranten als die Verkörperung von Privilegien und Klassendenken – Dinge, die ihnen zutiefst zuwider sind – ansehen, sich mit dem Prädikat schmücken, ein „gesegneter Friedensbringer“ zu sein? Stellen Sie sich doch einfach vor, die Situation wäre umgekehrt, und Thaksin, das Musterbeispiel der PAD für das Übel schlechthin, hätte den Zentralen Krisenstab CRES angewiesen, einen Aufstand der Gelbhemden an der Ratchaprasong niederzuschlagen und dabei mehr als 80 Tote in Kauf genommen. Und anschließend würde dieser Thaksin persönlich einen „Fahrplan zur Versöhnung“ formulieren und auch noch erwarten, daß alle gegnerischen Parteien sich diesem anschließen und die Hand nach dem Ölzweig ausstrecken werden.

Sollte Abhisit endlich aus seinen Tagträumen erwachen, wird ihn wohl unverzüglich die Realität einholen dergestalt, daß es beinahe unmöglich ist, solch ernste Konflikte durch die gegnerischen Parteien selbst beilegen zu lassen. Andernfalls bräuchte man keine Gerichte, Israel und die Palästinenser hätten keine Unterstützung seitens der USA bei ihrem Friedensprozeß nötig und die IRA hätte auch ohne die entscheidende Mithilfe von Senator Mitchell und die Formulierung der Mitchell-Prinzipien die Waffen niedergelegt!

Zweitens stellt der Fahrplan ein Portrait der „nationalen Unsicherheitsfaktoren“ dar, wie diese von der Regierung selbst gesehen werden.

Der offensichtlichste „Unsicherheitsfaktor“ ist für Abhisit wohl die Wahrheit darüber, was an der Ratchaprasong-Kreuzung wirklich passiert ist und mehr als 80 Thais das Leben gekostet hat.

Ich war wirklich froh darüber, als ich hörte, daß eine Kommission zur Wahrheitsfindung eingerichtet worden sei, um den Weg zu ebnen für eine echte Versöhnung, und daß Kanit Na Nakorn diese leiten würde. Meine Hoffnungen schwanden jedoch sofort wieder, kaum daß Kanit den Mund aufmachte und in einem Interview sagte, daß seine Kommission versuchen werde, die „nationale Versöhnung voranzutreiben und keine Vorwürfe verteilen wolle“.

Vielleicht wäre Kanit in einem anderen Ausschuß – zum Beispiel für eine nationale Reform – besser aufgehoben, wenn er an der Versöhnung mitwirken will?

Ich entschuldige mich für meinen Irrtum, daß ich fälschlicherweise davon ausging, eine Kommission zur Wahrheitsfindung habe die Aufgabe, die Fakten festzustellen und die Wahrheit aufzudecken, egal, wie schmerzlich diese Fakten auch sein mögen und wie grotesk sich die Wahrheit auch immer darstellen mag. Für mich ist nun vollkommen klar, daß Kanit lediglich einige Tatsachen hinterfragen und aufdecken und nur Wahrheiten ans Licht bringen wird, die seine vorgefaßte Meinung unterstützen und seinem letztendlichen Ziel, alle dazu zu bewegen, sich zu umarmen und Frieden zu schließen, förderlich sind.

Versöhnung ist allemal ein ehrenwertes Anliegen, aber dafür muß zunächst einmal die Wahrheit ans Licht kommen, was mehr als 80 Leben widerfahren ist. Daher, Khun Abhisit, tun Sie um Gottes Willen wenigstens einmal das Richtige, denn wir schulden das denjenigen, die ums Leben kamen, und wir schulden es auch uns selbst, die Wahrheit zu finden, damit wir als Nation wieder ins Reine kommen und für Thailand den lange erwarteten Prozeß einer nationalen Gesundung und Versöhnung anstoßen können.

Außerdem, wie kann Abhisit erwarten, daß sein Fahrplan auch nur irgendwie erfolgreich sein wird, wenn er anscheinend alle Parteien einbindet mit Ausnahme genau derjenigen (nämlich den Rothemden), mit der die Auseinandersetzung geführt wurde? Von der Definition her kann eine Aussöhnung nur dann stattfinden, wenn die sich bekämpfenden Gruppierungen sich einem Prozeß der „Entspannung“ unterwerfen. Was Abhisit dagegen vorhat, ist, so viele Freunde wie möglich zu gewinnen – ganz egal, ob in gelben, blauen oder bunten Hemden – und zu hoffen, daß diese vielen neuen Freunde dann zahlenmäßig stärker sein werden als seine alten Feinde.

Mein lieber Premierminister, wenn das Leben doch nur so einfach wäre!

Einige Leser haben mir vorgeworfen, ich würde immer nur kritisieren, aber keine Lösungsvorschläge machen. Nun, wenn Sie mich schon danach fragen – hier meine Überlegungen in gekürzter Form:

Ich habe einen sehr guten Freund, den ich ungemein schätze, der mit mir zusammen aufwuchs und Dr. Taya heißt. Wir genossen zwar die gleiche, miese, öffentliche Schulkost, aber dennoch überholte sein Verstand den meinigen anscheinend ein gutes Stück. Dr. Taya, ein Gastroenterologe, hat eine höchst bemerkenswerte Vorgehensweise bei der Lösung aller möglichen Arten von Problemen, bei der im wesentlichen am Anfang die Diagnose steht, gefolgt von der Prognose. Ein Irrtum beim ersten Teil kann da allerdings fatale Folgen haben.

Obwohl Dr. Taya und ich nicht immer einer Meinung sind, stimmen wir doch überein bei der Diagnose für Thailand. Alle unsere Probleme rühren von der schlimmsten aller politischen Krankheiten her – der Korruption. Die Korruption hat das Fahnentuch unserer Demokratie zerfressen und ein halbes Jahrhundert lang die Beziehungen zwischen der Regierung und dem Volk vergiftet.

Der Begriff „Staatsdiener“ ist dabei schlicht und ergreifend der auffallendste Widerspruch in sich. Ja, es ist wirklich so schlimm. Wenn Sie in Thailand etwas illegal abholzen wollen, brauchen Sie gute Kontakte zur Forstbehörde. Wenn Ihr Sohn auf eine Spitzenschule soll, erreichen Sie das in der Regel mit einem braunen Umschlag zu Chinesisch Neujahr für den Schulleiter. Sollte Ihre Firma unbedingt billige, illegale Arbeitskräfte benötigen, kann Ihnen die Einwanderungsbehörde weiterhelfen. Und wenn Sie einen Handel mit DVD-Raubkopien aufziehen wollen, achten Sie einfach darauf, daß die Herren in Uniform auch was davon haben.

Wenn Sie nun meinen, ich übertreibe, dann leben Sie einfach noch nicht lange genug hier.

In der Schlußfolgerung ergibt sich für mich eine einfache Prognose. Die Leute sollten der Regierung eine gehörige Portion Mißtrauen entgegenbringen. Falls diejenigen, die wir damit beauftragt haben, uns zu regieren, sich dafür entscheiden sollten, diese Macht zu mißbrauchen, dann sollten wir handeln. Und ich bin sehr optimistisch, daß wir zum Handeln in der Lage sind – das beweisen die Gelbhemden-, Rothemden- und Bunthemden-Bewegungen sowie die Bildung von sozialen Netzwerken im Internet wie Blogs und Facebook-Gruppen. Das Volk verfügt inzwischen über Möglichkeiten, die Amtsinhaber zu kontrollieren und zu einem korrekteren Verhalten zu zwingen.

Es ist noch nicht alles verloren und mit aktiver Beteiligung all unserer Bürger können wir diese Krise in eine große Chance verwandeln. bp

Der Autor, Songkran Grachangnetara, ist Unternehmer. Er studierte an der London School of Economics und der Columbia University.