hmh. Hamburg. Anton Payer (*1853 Klagenfurt, †1883 Wien) war der erste Österreicher, der siamesischer Staatsbürger und Buddhist wurde. Heute ist er fast vollständig vergessen. Am kommenden Samstag, 25. September, stelle ich ihn in Hamburg den Mitgliedern und Gästen der Hamburger Gesellschaft für Thaiistik (HGT) vor. Und zwar im Anschluß an die Jahreshauptversammlung im Museum für Völkerkunde am Rothenbaum.
Der Originalartikel steht hier: http://www.phakinee.com/kaerntner-siamese-anton-payer/ – Ankündigung zum Lesen vergrößern: https://i2.wp.com/www.phakinee.com/wp-content/uploads/2021/09/HGTn.jpg
Eine abenteuerliche Flucht vor dem Kriegsdienst hatte Payer als jungen Mann 1876 durch Zufall nach Bangkok geführt. Nach sieben Jahren kam er 1983 wieder in seine Heimat, hielt aufsehenerregende Vorträge in exotischer Kleidung und schenkte dem Naturhistorischen Hofmuseum in Wien eine wertvolle Sammlung siamesischer Handschriften, Bücher und höfische Seidenkleider. Zwei Tage, nachdem man ihm für seine Schenkung eine geringe Anerkennung übergeben hatte, nahm er sich in einem Hotelzimmer in Wien das Leben.
Es ist eine meiner liebsten Beschäftigungen, zu Unrecht vergessene Menschen, vor allem Schriftsteller und Forschungsreisende, aber auch Abenteurer und Hochstapler, aus dem Abgrund der Geschichte zu holen. Die spannendsten Abenteuer findet man nach meiner Überzeugung heute nur noch selten auf Entdeckungsreisen, viel öfter dagegen beim Stöbern in Archiven und Bibliotheken, besonders in jenen, deren Bestand noch nicht digitalisiert ist.
Der Klagenfurter Anton Payer ist einer der schillernsten Figuren, auf die ich je gestoßen bin. Zunächst schien er mir eindeutig zur Gruppe der Hochstapler zu gehören, als ich vor über 20 Jahren in der Doktorarbeit einer thailändischen Studentin in Wien auf ihn stieß. Sie zählte ihn unter den im 19.Jahrhundert nach Siam ausgewanderten Bürgern der Donaumonarchie auf. Daß er die österreichische Staatsbürgerschaft aufgab und Buddhist wurde, stimmt sicher.
Eher belächelt wurde jedoch in der genannten Arbeit, daß Payer in den 1960er Jahren – aufgrund von Briefen und Familienerzählungen in mehreren Artikeln eines jungen Historikers (der inzwischen als hochverdienter eremitierter Professor selbst in den Lexika steht), als einflußreicher „Sekretär des Königs Chulalongkon von Siam“ dargestellt wurde, der „das Bild des modernen Thailands geprägt“ hätte, wofür ihm der König großzügig belohnt und ihm sogar eine Prinzessin zur Frau gegeben haben soll. Und das, nachdem man zuvor über 80 Jahre lang nichts mehr über den Mann gelesen hatte.
Die Geschichte mit der Prinzessin konnte unmöglich stimmen. Und ein „einflußreicher Sekretär“ des Königs von Siam aus Österreich wäre mir als notorischer Bücherwurm ja wohl garantiert schon früher über den Weg gelaufen. Aber ich wurde neugierig und forschte bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter. Bis heute fand ich jedoch noch keine auf Thai geschriebene Zeile über den Mann, der „das Bild des modernen Thailands geprägt“ haben soll. Kein Wort, nichts. In Thailand scheint ihn niemand zu kennen, und auch in Österreich waren die Quellen spärlich. Ich steckte den Mann also erst einmal in meine große Sammlung „typischer“ Farang-Hochstapler in Thailand.
So einfach war die Sache dann aber doch nicht. Seit in Österreich und in zahlreichen anderen Ländern – ganz anders als im digital rückständigen Deutschland – der historische Zeitungsbestand vollständig digitalisiert ins Netz gestellt wird und sehr oft bereits inhaltlich durchsucht werden kann, finde ich immer mehr zeitgenössische Artikel, die nahelegen, daß Payer zumindest zeitweise tatsächlich ein Bediensteter am Hofstaat von König Chulalongkon war. Es lohnt sich also, ihm weiter auf der Spur zu bleiben.
Anton Payer war der Sohn eines Kärntner Schuldirektors. Nach seinem Studium und einer kurzen Tätigkeit als Lehrer meldete er sich freiwillig beim k.u.k. Militär, von dem er kurz darauf wieder desertierte. Über Berlin und Hamburg gelangte er auf der Flucht auf einen Frachter nach Siam, arbeitete zunächst als Kaufmannsgehilfe in Bangkok, bis er es, angeblich zunächst aufgrund seiner guten Zeichenfähigkeiten, zu einer Anstellung im Umfeld des königlichen Hofs brachte. Später gab er die österreichische Staatsbürgerschaft auf, ging er in ein Kloster, um Thai und Pali zu lernen, wurde Buddhist und mied zunehmend den Kontakt zu Europäern in Bangkok, viele von ihnen hielten ihn für einen Spinner. In das Kloster wurde er danach allerdings nicht aufgenommen. Er arbeitete erneut im Umfeld des Hofes, wovon er 1883 für einen Besuch in der Heimat beurlaubt wurde. Warum er am 26. Oktober 1883 in Wien freiwillig aus dem Leben schied, ist vollkommen unklar.
Mehr dazu am Samstag, 25. September 2021, nach der Jahreshauptversammlung der HGT um 14.30 Uhr. Der Vortrag ist öffentlich und kann via Zoom auch im Internet verfolgt werden. Zum Einloggen folgen Sie bitte zu gegebener Zeit diesen Link:
https://uni-hamburg.zoom.us/j/64563521222