Ende des Ausnahmezustands in Thailand?

27 Menschen sind bei den Protesten ums Leben gekommen – viele haben befürchtet, es könnte Bürgerkrieg geben. Jetzt zeichnet sich aber eine friedliche Lösung ab.

Erleichterung in Thailand: Regierung und Demonstranten haben einen Kompromiß. Eine mögliche Neuwahl würde die politischen Probleme des Landes jedoch nicht lösen.

Es gibt eine gute Nachricht aus Thailand: Premierminister Abhisit hat den Rothemden ein Versöhnungsangebot unterbreitet, das sich zwar wenig spektakulär anhört, aber offenbar ausreichte, die Demonstranten über das Ende ihres wochenlangen Protests nachdenken zu lassen: Abhisit bot Neuwahlen für Mitte November an. Bislang hatte er immer auf einem Termin frühestens im Dezember bestanden. Regulär läuft seine Amtszeit noch bis Ende 2011.

Der Premier ist damit einerseits auf die Demonstranten zugegangen. Viel wichtiger aber: Abhisit hat die politische Krise mit seinem Angebot entschärft und seinem Land so einen großen Gefallen getan. Denn ein Kompromiß über den Wahltermin scheint im Moment der einzige Weg, der Thailand wieder zurück zur Normalität führen kann.

Warum unterbreitete der Premier das Versöhnungsangebot?

Premierminister Abhisit wurde durch die Weigerung der Armee, die Rothemden mit Gewalt von der Bangkoker Ratchaprasong-Kreuzung zu entfernen, dazu gezwungen, die Auflösung des Parlamentes anzubieten, um aus der politischen Pattsituation im Lande herauszukommen, schreibt die „Bangkok Post“.

Armeechef Anupong Paochinda hatte am 12. April deutlich gemacht, daß er gegen einen weiteren Versuch sei, die demonstrierenden Rothemden mit Gewalt zu zerstreuen und statt dessen für eine politische Lösung sei.

Verteidigungsminister Prawit Wongsuwon ist ähnlicher Ansicht. Er sagte: „Für mich ist es inakzeptabel, Soldaten einzusetzen, um Thais zu erschießen.“

Obwohl der Premierminister General Anupong durch dessen Ernennung am 16. April zum Chef der Sicherheitsoperationen dazu zwingen wollte, bei der Beendigung der Kundgebungen eine entscheidende Rolle zu spielen, unternahm der Armeechef offenbar keinerlei Anstrengungen, die Demonstration an der Ratchaprasong-Kreuzung aufzulösen.

Der Befehl, zu töten, sei schnell ausgeführt, sagte ein Kommandeur, denn die Soldaten hätten schließlich Schußwaffen. Aber was passiere danach? Nachdem die Rothemden geschlagen sind, werden diejenigen von ihnen, die noch Waffen haben, in den Untergrund gehen und in anderen Gegenden Aktionen durchführen“, ergänzte er. „Nach einer gewaltsamen Auflösung wären dann die Soldaten ihre Ziele. Das brächte das Land noch näher an einen Bürgerkrieg. Und es würden sich weitere Rothemden in anderen Provinzen erheben.“

Das hat letztlich zu dem Vorschlag geführt, am 14. November wählen zu lassen – ein Zeitrahmen, der es allen Seiten in diesem politischen Zwiespalt ermöglicht, das Gesicht zu wahren.

Wie geht es weiter?

Sollte die heutige Opposition die Neuwahlen tatsächlich gewinnen, wird Thailand vor weiteren lähmenden Demonstrationen wohl kaum verschont bleiben. Dann werden die Gelbhemden aufmarschieren, jene Fraktion, die der alten Elite und der „Democrat Party“ von Abhisit nahesteht. 2008 zeigten sie, wie rücksichtslos und schlagkräftig sie vorgehen können: Kurz vor dem Verbot der Regierungspartei blockierte das gelb gewandete Oppositionsbündnis PAD erst den Regierungssitz und danach die Flughäfen von Bangkok.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Aussicht auf vorgezogene Neuwahlen nicht mehr als eine Unterbrechung des Dauerstreits. Und auch die könnte kurz ausfallen, denn noch sperren sich die Regierungsgegner gegen den von Regierungschef Abhisit als Kompromiß vorgeschlagenen Wahltermin am 14. November. Das Parlament müßte in diesem Fall erst spätestens Ende September aufgelöst werden. Der Opposition, die bislang sofortige Wahlen gefordert hatte, ist dies Experten zufolge zu spät, da in diesem Monat unter anderem über den Umbau des einflußreichen Militärs und den Haushalt des Landes entschieden werden soll.

Falls die Rothemden bis dahin an der Regierung sein sollten, rechnen Beobachter mit großen Umwälzungen. Selbst die Absetzung von königstreuen Generälen ist denkbar – eine Maßnahme, die vor allem die alten Eliten des Landes stark fürchten. „Die Rothemden wandeln das Versöhnungsangebot zu ihrem eigenen Vorteil um und wollen es so lange melken wie möglich“, sagt der unabhängige Experte Sukhum Nuansakum dazu. Ließe Premier Abhisit also früher wählen, könnte er es sich auch mit dem mächtigen Militär verscherzen, daß sich in der Geschichte des Landes immer wieder in die Politik eingemischt hat.

Die Situation ist verwickelt, auch, weil nicht, wie man den Eindruck haben könnte, einfach eine die Armen vertretende Gruppe (Rote) einer konservativen Reichen-Fraktion (Gelbe) gegenübersteht. Vielmehr gibt es in beiden Lagern undemokratisch wie demokratisch denkende Persönlichkeiten. Das Land ist gespalten, spätestens seitdem mit dem vertriebenen Ex-Premierminister Thaksin erstmals ein Politiker aus dem Norden des Landes in Bangkok regiert hat. Eine Spaltung, die Experten zufolge inzwischen auch in Kreisen des mächtigen Militärs zu spüren sei. Die Zeit, dw, bp