Verhärtete Fronten in Bangkok

Seit dem Morgen des 14. Mai liefern sich in Bangkok Armee und Regierungsgegner – die Rothemden der „Einheitsfront für Demokratie gegen Diktatur“ (UDD) – harte Straßenschlachten. Tausende Soldaten in schwerer Kampfmontur haben sich in den Straßen um das Lager der Rothemden-Demonstranten im Zentrum von Bangkok postiert. Schüsse und Explosionen hallen durch die gesamte Innenstadt.

Kleinere Gruppen aus dem Lager der Rothemden brechen regelmäßig aus ihrem Lager aus und greifen die Soldaten mit Steinen, Flaschen und Steinschleudern an, einige werfen Molotow-Cocktails. Andere schießen Feuerwerkskörper, die mit scharfen Bambusspitzen gespickt sind. Die Soldaten antworten mit Gummigeschossen, Tränengaspatronen oder schießen scharf in die Menge.

Aus einer Hauptstraße, die südlich an das Gelände der Rothemden grenzt, dringen schwarze Rauchschwaden. Demonstranten haben Reifen mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. Immer wieder sehen sich die Soldaten von kleineren Gruppen konfrontiert, die nun scheinbar aus allen Richtungen kommen. In Bangkoks Innenstadt tobt eine Art Guerillakrieg.

Mit ihren Attacken verhinderten die Demonstranten bis zum Abend des 14. Mai, daß die Soldaten ihr riesiges Camp einschließen. Das war der ursprüngliche Plan der Regierung: Das UDD-Lager sollte abgeriegelt und von der Außenwelt abgeschnitten werden. Mindestens 150 Menschen werden an diesem Tag verletzt, unter ihnen mehrere Journalisten. Bislang wurden 16 Todesopfer gezählt. Damit sind seit Beginn der Proteste vor zwei Monaten mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen.

Aggressive Medienpropaganda

Die Stimmung in Bangkok ist seit Wochen extrem aufgeladen. Dazu trägt auch der Propagandakrieg bei, der die Proteste begleitet und mit der Zeit an Schärfe zugenommen hat. Tageszeitungen und Fernsehsender in Bangkok, der Hochburg von Premierminister Abhisit, tragen ihren Teil zur Verschärfung der ohnehin massiven sozialen Spannungen bei, die sich nun Bahn brechen.

So titelte etwa die englischsprachige „Bangkok Post“ unmittelbar vor Beginn der Proteste, „Horden vom Land“ seien auf dem Weg nach Bangkok.

Der Tenor, der sich durch fast alle Medien in Bangkok zieht: Die Demonstranten sind ungebildete Bauern und Taugenichtse, die von Ex-Premier Thaksin dafür bezahlt worden sind, in der Hauptstadt zu randalieren. Die Regierung hat bereits vor Wochen diese Steilvorlage dankbar angenommen und ihrerseits eine Schlammschlacht gestartet: Die Demonstranten beherbergten „Terroristen“, hieß es refrainartig.

Vor einigen Wochen erklärte ein Regierungssprecher, die Behörden hätten Beweise dafür gesammelt, daß die Demonstranten planten, die Monarchie abzuschaffen. Dieser Vorwurf wiegt schwer: Rigide Gesetze gegen „Majestätsbeleidigung“ verbieten in Thailand jeden öffentlichen Diskurs über die Rolle des Königshauses. Schon die leiseste Kritik kann mit bis zu 15 Jahren Gefängnis geahndet werden. Offene Angriffe auf die Monarchie werden als Angriff auf die nationale Sicherheit gewertet. Mehr als einmal wurden in der Vergangenheit solche Vorwürfe dazu genutzt, Proteste brutal niederzuschlagen.

Manche Mainstream-Medien und Anhänger selbsternannter Gruppen von Royalisten fordern in der Zwischenzeit immer offener von der Regierung, die Proteste mit allen Mitteln niederzuschlagen, koste es, was es wolle. Selbst wenn es Tote gäbe, heißt es offen, wäre dies „gerecht“ und „gerechtfertigt.“

Auf der anderen Seite der politischen Bruchlinie, die sich inzwischen selbst durch viele Familien zieht, haben die Anführer und Vordenker der Rothemden ihre Sicht der Dinge aggressiv über ein Netzwerk von Internetseiten und lokalen Radiosendern verbreitet. Auch ihr Fernsehsender People’s Television hat die Anhänger der Rothemden 24 Stunden am Tag eingepeitscht.

Kaum noch ein Kompromiß möglich

Die Regierung sei „tyrannisch“, erklären die Sprecher der Demonstranten auf der Bühne in der Innenstadt immer wieder. Sie sei lediglich der Deckmantel für die alte, korrupte Oberschicht von Elite-Bürokraten und Militärs, die hinter den Kulissen die Fäden ziehe. Fotomontagen im Lager der Rothemden zeigen Premier Abhisit mal mit Hitlerbart, mal als Teufel. Demonstranten haben Hunderte von Fotos des Premiers auf den Bürgersteig und auf die Straße geklebt, damit Passanten mit ihren Füßen auf das Abbild des Premiers treten.

Beide Seiten haben sich damit im Lauf der Zeit gegenseitig so sehr dämonisiert, daß ein politischer Kompromiß kaum noch möglich erscheint. Die Propaganda dient als Rechtfertigung für Drohungen, Demütigungen, Gewalt und sogar Todesopfer. Diese extreme Haltung überrascht nicht wenige ausländische Beobachter, gelten Thais im allgemeinen doch als freundliche und friedfertige Menschen, die fortwährend um Harmonie bemüht sind.

Doch Kultur, Bildung und, vor allem, die Religion in Thailand, der Theravada-Buddhismus, fordern die Anpassung des Einzelnen an ein übergeordnetes Ganzes. Die Vorstellung, man könne sich stark unterschiedlichen Meinungen durch Dialog nähern, existiert selbst in der westlich geprägten Oberschicht des Landes nur sehr begrenzt. Wer eine komplett andere Meinung hat als die eigene, wird damit schnell zum verhaßten Gegner.

Daher enden Konflikte in Thailand häufig mit Gewalt. Nebenbuhler werden brutal aus dem Weg geräumt, selbst kleinste Streitereien können binnen weniger Sekunden eskalieren und enden nicht selten tödlich.

Entsprechend unversöhnlich fällt eine Fernseherklärung von Mitgliedern der Regierung am Abend des 14. Mai aus, als sich die Lage in der Innenstadt ein wenig beruhigt hat: Die Regierung habe die Situation unter Kontrolle, heißt es. Zwar habe die Armee nicht vor, das Lager der Demonstranten zu stürmen; doch der beste Weg, um weitere Opfer zu verhindern, sei es, die Proteste zu beenden. Die Demonstranten seien schuld daran, daß es am 14. Mai Tote gegeben habe.

Ein friedliches Ende der Konflikte erscheint immer weniger wahrscheinlich. Die Zeit