Bangkok. Am Sonntag soll das Nationale Reformkomitee (NRC) über den Entwurf der neuen Verfassung abstimmen. Dabei ist sie selbst in den eigenen Reihen sehr umstritten. Wie von uns bereits berichtet, ist es den Politikern allerdings nicht erlaubt, öffentlich ihre eigene Meinung zu äußern. Jegliche Stellungnahme für oder gegen die neue Charta wurde offiziell verboten.
Die Klausel, die bemängelt wird, wurde in der Zwischencharta nach dem Staatsstreich 2014 festgelegt und besagt, dass mehr als die Hälfte der gesamten Wählerschaft mit „Ja“ zustimmen muss, damit die Verfassung gültig wird.
Der Stellvertretender Ministerpräsident Visanu Krue-ngam, der die Regel mit verfasst hat und nach dem Staatsstreich 2014 in die Zwischencharter schrieb, wiegelt das ganze ab und sagte, dass eine kleine Re-Interpretation alles ist, was benötigt wird.
„Ich muss zugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes problematisch aussieht. Aber ich möchte, dass sie auf eine einfache Art denken“, sagte Visanu zu dem heiklen Thema.
„Nehmen wir an, dass 20 Millionen Menschen ihre Stimme zur Wahl abgeben. Wenn dann mehr als 10 Millionen Menschen für die Charta stimmen, dann bedeutet das, dass die Charta von den Menschen genehmigt wurde“, erklärte der Wahl-Kommissar Somchai Srisutthiyakorn.
Visanau weiderholte ebenfalls diese Erklärung auf einer Pressekonferenz und fügte hinzu, dass eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht.
Allerdings liegen da beide Männer mit ihrer Aussage falsch, warnt die lokale Presse.
Niran Pantarakit, ein Mitglied des nationalen Reform Rates der Junta, die am Sonntag über den Entwurf der Charta abstimmen sagte ganz klar, dass das was die beiden Männer gesagt haben so nicht im Gesetz steht.
In §37 der Übergangsverfassung heißt es ganz klar, dass mehr als die Hälfte derjenigen, die das Recht zum Wählen haben, der neuen Charta zustimmen müssen. Das ist allerdings ein gewaltiger Unterschied.
Mit anderen Worten: Die vorgeschlagene Verfassung kann nur von den Stimmen der Mehrheit der thailändischen gesamten Wählerschaft, „abgesegnet“ werden. Schätzungen zufolge gibt es zurzeit rund 47 Millionen Wähler in Thailand.
„Die Wahlkommission sagt, dass wir rund 47 Millionen Wähler haben“, erklärte er am Mittwoch. Die Hälfte davon sind 23.500.000. Demnach müssen also mindestens 23.500.001 der neuen Verfassung zustimmen“.
Dann fügte er hinzu, „Wenn sie sich das Verfassungsreferendum von 2007 ansehen werden sie feststellen, dass es nur von 14 Millionen Stimmen genehmigt wurde. Wie also konnte die aktuelle Verfassung überhaupt genehmigt werden? Wo kann man 23,5 Millionen Wählerstimmen finden“? fragte er.
„Es bedeutet, dass die Chance, diese Verfassung durch eine Volksabstimmung zu verabschieden gleich Null ist. Da bin ich mir 1.000 % sicher“, fügte er hinzu.
Kurze mathematische Rechenaufgabe:
Es gibt 47 Millionen Wähler in Thailand. Daher sind nach § 37 mehr als 23,5 Millionen Stimmen erforderlich, um die neue Verfassung, die von der Junta geschrieben wurde zu genehmigen.
Das letzte Mal, als die Öffentlichkeit aufgefordert wurde, auf eine vom Militär entworfene Verfassung zu zustimmen war im Jahr 2007. Damals hatten sich 26 Millionen Wähler bei den Wahlen gezeigt.
Keine politische Partei in der thailändischen Geschichte hat jemals 23,5 Millionen Stimmen gewonnen.
Tatsächlich wurden die meisten Stimmen, die jemals bei einer Wahl erreicht wurden, im Jahr 2001 abgegeben. Damals hatten 14,6 Millionen Wähler mit ja zu einem Erdrutschsieg des ehemaligen Premierministers Thaksin Chinnawat geführt. Dabei kam es zu einer sehr hohen Wahlbeteiligung an der rund 38 Millionen Wähler teilgenommen hatten.
Niran Pantarakit gehört zu der Fraktion, die sich dem aktuellen Entwurf der Charta widersetzt. Er sagte, der Reformrat solle das Problem dadurch lösen, dass er die Charta bei der Wahl am Sonntag ablehnt.
Sollte die Charta genehmigt werden, sagte er weiter, wird es unter den Menschen zu einem weiteren Streit kommen, ob das Verfahren unsachgemäß sei oder nicht.
Der Reformrat nimmt die Sache leicht und erklärte, dass die Junta nur die Macht zu ihren Gunsten erweitern und den § 37 ändern müsse.
Visanu, der stellvertretende Ministerpräsident sagte, anstatt den Text neu zu fixieren brauche die Junta nur die Dinge in ihrer eigenen Interpretation richtigstellen.
„Sie verstehen die Dinge anders als ich sie verstehe“, sagte Visanu. „Ich muss zugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes problematisch aussieht. Aber sie sollten nur einfacher denken“, fügte er hinzu.
Sein „einfaches Denken“ läuft darauf hinaus, dass die Behörden nur die abgegebenen Stimmen zählen. Sollte dabei die Mehrheit für die Charta stimmen, sollte das Ergebnis trotz allem was in der Verfassung steht anerkannt werden.
Als ein Reporter ihn fragte, warum der Text in der Zwischencharter nicht mit seiner Interpretation übereinstimme sagte Visanu, dass die Interpretation im Wesentlichen sehr schwierig sei,
„Es gibt viele technische Probleme“, sagte er. „Als wir die Verfassung geschrieben haben dachten wir, dass wir alles klar formuliert haben“.