„Thailands Bevölkerung war in der Geschichte stets ein Spielball der Herrschenden“

(Red.) Bangkok. Die Ursache der gegenwärtigen Probleme dieses Landes liege nämlich Jahrhunderte zurück. Vor allem sei erstaunlich wenig bekannt, daß Thailands Gesellschaft keineswegs so homogen ist, wie das bei oberflächlicher Betrachtung scheint: Es beginne schon mit der nur scheinbar einfachen Frage, wer nun eigentlich in Thailand „Thai“ sei und wer nicht.

Denn kaum ein ausländischer Besucher würde der Tatsache gewahr, daß zwar nicht alle, aber doch ein erstaunlich großer Teil der priviligierten Nachkommen der alten Herrscherfamilien, sowie auch des neureichen, überwiegend chinesischstämmigen Geldadels in und um Bangkok auf den Großteil der weniger priviligierten Landsleute distanziert bis offen abschätzig blicken. Weiter kommentiert der Autor:

Man kann das, wie vieles in Thailand, schönzureden versuchen (natürlich gibt es Ausnahmen!), aber es ändert nichts an den Tatsachen. Die weit verbreiteten diskriminierenden Vorbehalte betreffen vor allem Abkömmlinge der einst als Kriegs- und Arbeitssklaven zwangsangesiedelten und jahrhundertelang von nennenswerter Bildung ferngehaltenen Khmer und Lao auf dem Gebiet des heutigen Thailands.

Ebenso beträfe es die Nachkommen der vor allem aus Kambodscha und Pattani verschleppten mohammedanischen Sklaven, die unter anderem die Khlongs in der zentralen Ebene Thailands graben und unterhalten mußten.

Vollständiger Artikel: Thailands antidemokratische Elite durch die Geschichte verstehen

In diesem Zusammenhang rezensiert der Autor das bereits 2004 erschienene Buch Staat und Bevölkerung in Lan Na des Hamburger Wissenschaftlers Volker Grabowsky. Es handels sich um die Habilitationsschrift von Grabowsky, der seit fast einem Jahrzehnt Leiter der Abteilung für Sprachen und Kulturen Südostasiens am Asien-Afrika-Instiut der Universität Hamburg ist. Hensel schreibt in seiner Rezension:

 "Für dieses Werk hat er hunderte, auch ausgesprochenen Experten bisher überwiegend nicht oder jedenfalls kaum bekannte Manuskripte aus zum Teil entlegenen Quellen in Thailand und Laos durchforscht. Einige davon nutzte Grabowsky in diesem Werk erstmals für die wissenschaftliche Forschung. Und nebenbei räumt er auch noch gründlich mit verbreiteten Irrtümern und geschichtlichen Falschdarstellungen auf oder relativiert sie."

Und weiter:

"Es entsteht ein Bild aus dem Gebiet des heutigen Thailands und Laos, in dem ein Großteil der Bevölkerung von ihren jeweiligen Herrschern jahrhundertelang als reine Verfügungsmasse angesehen wurde. … Vor dem geistigen Auge des Lesers entsteht ein Bild von einem Feudalstaat, der verblüffend an die Vorstellungen derjenigen erinnert, die derzeit in Bangkok – in aller Öffentlichkeit und von der Staatsmacht ungehindert – unter anderem den bei Touristen und Bangkokern gleichermaßen beliebten Lumphini Park zu einem versifften Campingplatz für chauvinistische Horden antidemokratischer paramilitärischer Individuen entstellt haben."

Die Rezension endet mit den Worten: "Es handelt sich bei diesem Buch um einen Augenöffner, den man gerade in der jetzigen politischen Situation gar nicht genug empfehlen kann"

Volker Grabowsky: Bevölkerung und Staat in Lan Na. Ein Beitrag zur Bevölkerungsgeschichte Sudostasiens. Wiesbaden: Harrassowitz 2004, xxvi + 609 Seiten, 58 Euro, ISBN 3-447-05111-6.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): http://www.phakinee.com