Die hehren Ziele existierten wohl nur auf dem Papier. Deshalb ist die angebliche Hilfsorganisation ein Fall für das Augsburger Landgericht.
Rund 625 000 Euro soll der Bund für Kinderhilfe in fünf Jahren von Spendern eingesammelt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß nur bis zu 35.000 Euro in Thailand ankamen. Der Rest des Geldes soll, so die Ermittler, draufgegangen sein für Mitarbeiter, Mieten – und ein dubioses Immobiliengeschäft, bei dem ausgerechnet Vereinsboß Peter L. einen satten Gewinn einstrich.
Im Oktober vorigen Jahres beendete die Kripo Peter L.s Vereinsaktivitäten. Seither sitzt der 40jährige in Untersuchungshaft. Zu Unrecht, wie er glaubt. Im Prozeß schildert er ausführlich die schwierige Lage von Kindern aus armen Familien in Thailand. Er beklagt den Sextourismus und die Kinderprostitution. Eine Erklärung dafür, weshalb nur ein Bruchteil des Geldes in Thailand ankam, präsentiert er nicht. Quittungen für Zehntausende Euro, die er bar in dem asiatischen Land übergeben habe, seien bei einem Einbruch abhanden gekommen.
Der Fall zeigt, wie leicht unter dem Deckmantel angeblich gemeinnütziger Organisationen Geld versickern kann. Dazu kamen noch staatliche Fördermittel für Ein-Euro-Jobber und Lehrlinge, die beim Verein arbeiteten. In den Ermittlungsakten ist auch die Rede von selbständigen Handelsvertretern, die per Telefon Spender warben. Ehrenamtlich geschah das nicht. Rund 250.000 Euro flossen offenbar alleine an einen Subunternehmer, der mit auf der Anklagebank sitzt.
Thomas B. hatte mit Unterstützung des Arbeitsamtes als Telefonist beim Bund für Kinderhilfe begonnen. Zuvor war der 31jährige arbeitslos. Nach einiger Zeit wurde er schließlich der Organisator der Telefonwerbung. Nun räumt er ein, daß er „wohl auch Fehler“ gemacht habe. Was mit den Spenden passiert, sei für ihn kein Thema gewesen. Seine Zuständigkeit war alleine der „Vertrieb“, sagt er immer wieder – ein Wort aus der Geschäftswelt, das so gar nicht passen will zu den schönen Worten in den Werbematerialien des Kinderhilfe-Bunds.
Ins Rollen kam der Fall im Frühjahr 2008. Betriebsprüfer des Zolls nahmen damals die Räume des Vereins in der Augsburger Innenstadt unter die Lupe. Die Ermittler hegten zuerst den Verdacht, die Telefonisten könnten Scheinselbständige sein. Dieses Verfahren wurde inzwischen eingestellt, vor der 10. Strafkammer des Landgerichts geht es nun um Betrug und Untreue.
Im Prozeß sollen auch ehemalige Mitarbeiter und Spender aussagen. Über 600 Menschen sollen dem Verein Geld gegeben haben. Viele dachten, sie hätten damit die Patenschaft für ein Waisenkind in Thailand übernommen. Sie irrten sich. Augsburger Allgemeine